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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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Zigarette fallen und tritt sie mit dem Absatz ihres teuren grünen Schuhs aus. »Du bist ein sehr stilles Kind, nicht wahr?«
    Baz hält sich nicht unbedingt für ein Kind. »Kennen Sie dieses Krankenhaus?«
    »Ja.«
    »Und dort fahrn wir jetzt hin?«
    »Ja, ich denke, wir sollten uns diesen Jungen mal ansehen. Wenn wir Glück haben, ist es dein Bruder.«
    Baz dreht sich weg. Falls es nicht Demi ist, weiß sie nicht, was sie tun soll. Außer zum Leichenschauhaus gehen und nachgucken, ob Demi da ist, ihn noch ein letztes Mal sehen. Sie versucht diesen Gedanken wieder abzuschütteln.
    Eine weitere Taxifahrt, ein anderer Teil der Stadt. Ein blassgrünes klobiges Gebäude, ein bisschen zurückgesetzt, von einem staubigen Garten und einer hohen Mauer umgeben. Es gibt eine breite Zufahrt mit einer Sicherheitsschranke, die ständig hoch- und wieder heruntergelassen wird, wenn Autos und Krankenwagen eintreffen oder abfahren. Gleich neben dem Eingang steht ein kleiner Zeitungskiosk, auf der anderen Straßenseite befindet sich eine Cafébar, vor der Tische stehen. Ein gelangweilter Soldat steht neben der Schranke, beobachtet die Ankömmlinge, hält aber niemanden an. Das Taxi bringt sie aufs Gelände und hält direkt vor dem Gebäude.
    Der Empfang hier ist ganz anders als im Schloss. Der Offizier vom Dienst verzeichnet ihren Besuch, lässt sich ihre Namen geben und behandelt Señora Dolucca mit gehörigem Respekt. An der Aufnahme identifiziert eine Krankenschwester den Patienten, den sie zu sehen wünschen, als einen gewissen Renaldo Balta. »Sehr krank«, sagt sie.
    Renaldo ist kein Name, den Demi jemals benutzt hätte. Baz sinkt der Mut, aber sie bleibt geduldig neben Señora Dolucca stehen. Es führt kein Weg vorbei an dem, was sie hier tun. Man darf nicht einfach aufgeben. Man darf nicht loslassen, bis die letzte Hoffnung geschwunden ist.
    Sie bekommen Besucherschildchen und werden eine Treppe hinauf- und durch einen eintönig grünen Flur geschickt, an dessen Ende sich ein kleines Büro befindet und eine graue Metallpforte, die den Zugang zum Sicherheitsflügel versperrt. Ein vergnügter Beamter mit rundem Gesicht tritt aus dem Bürokabuff, um sie zu begrüßen. Er rückt seine Uniform zurecht, versucht sein Hemd in die Hose zu stopfen, was ihm durch seinen dicken, die Knöpfe fast absprengenden Bauch erheblich erschwert wird.
    Ein träger Mensch, urteilt Baz. Ein Mann, der sich das Leben möglichst bequem machen möchte. Auf einem kleinen Fernseher im Büro läuft mit gedämpftem Ton die neueste Folge von La Reglia , der populärsten Seifenoper des Landes, sogar Fay ist süchtig danach. Ein anderer Bildschirm gleich daneben zeigt einen Korridor mit nummerierten Türen. Während Baz noch genauer hinsieht, springt das Bild ins Innere eines Zimmers, wo ein Mann im Bett sitzt und aus dem Fenster schaut, dann in ein anderes, leeres Zimmer und schließlich zurück in den Korridor. »Ah«, sagt der Mann zu Baz, »du bist wie ich. La Reglia , eh? Ich muss immer wissen, was gerade passiert.« Er überprüft ihre Passierscheine und führt sie dann durch die Sperre in den Sicherheitsbereich des Krankenhauses, scheint aber noch nicht gewillt zu sein, sie sich selbst zu überlassen.
    »Ziemlich beliebt, dieser Junge«, sagt er. »Sie sind heut schon der zweite Besuch, den er bekommt. Bei so ’nem Jungen würde man denken, der kriegt gar keinen Besuch. Kommt aus dem Barrio, sieht man sofort.« Und er würde wohl noch weiter in dieser Art plaudern, doch da klopft ihm Señora Dolucca leicht auf den Arm und gibt mit überraschend sanfter Stimme zu verstehen, dass sie wenig Zeit hätten. »Natürlich, natürlich. Zimmer siebzehn. Gehen Sie einfach rein – ist nicht abgeschlossen.« Baz sieht, wie sein Blick Señora Dolucca folgt, die ihnen voran durch den Korridor schreitet, wobei ihre Hüften in dem teuren Kleid leicht schwingen. Diesem Mann muss Señora Dolucca wie eins von den vollkommenen Geschöpfen erscheinen, die in seiner Lieblingssendung auftreten. Während Baz fast unbemerkt an ihm vorbeischlüpft, macht sie sich in Gedanken einen Vermerk, dass dies vielleicht noch einmal nützlich werden könnte.
    Die Tür schnappt hinter ihnen zu.

21
    Señora Dolucca nimmt ihre Brille ab und gibt Baz ein Zeichen, als Erste ins Zimmer zu gehen.
    Trotz der strahlenden Helligkeit draußen ist es im Zimmer so düster, dass Baz die im Bett liegende Gestalt kaum erkennen kann. Ein dunkler Kopf auf einem weißen Kissen, der sich leicht bewegt, als

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