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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Mütze auf die Arme gestützt und starrt, einen Zigarrenstummel im Mundwinkel, auf seine halbleere Molle. Von Johannes Wiebe nimmt er nicht die geringste Notiz.
    Dem ist das nur angenehm, denn freundlich sieht dieser Tischgenosse nicht aus mit dem breiten, brutalen Gesicht, der eingedrückten Nase, dem starken Kinn. Auch diesen Typ kennt er von den Staaten her, diese Kerle, immer gleich bereit, um zu krakeelen, zu schlagen, unberechenbar in ihren plötzlichen Zornesanfällen. Es ist schon gut, wenn er mit solchen Leuten nichts zu tun bekommt – nun, er ist friedlich gesonnen!
    Eine tiefe, behagliche Schläfrigkeit überkommt ihn, seit er hier sitzt. Kaum kann er sich aufraffen, dem vorüberlaufenden gehetzten Kellner seinen Wunsch nach einer Bockwurst und nach einer Tasse Kaffee zu äußern. Dann versinkt er wieder in ein erschöpftes Vorsichhindösen, wird aber gleich wieder daraus aufgeschreckt, denn der Kellner knallt das Bestellte vor ihn hin und verlangt sofortige Kasse.
    Gedankenlos nimmt er seine Brieftasche aus dem Jackett, öffnet sie, sieht hinein und steckt sie wieder zurück, denn ihm ist eingefallen, dass er noch Kleingeld genug bei sich in der Tasche trägt. Er bezahlt also damit, und als das erledigt ist, begegnet er plötzlich, als habe er einen Schlag bekommen, dem Blick des Blaublusigen, der ihn gierig und böse ansieht.
    Aber sofort ändert sich dieser Blick, und der Blaublusige fragt, ohne seine Stellung zu verändern, ohne die Zigarre aus dem Munde zu nehmen, ganz friedlich: »Wat willst du denn hier?«
    »Was essen«, antwortet Johannes Wiebe vorsichtig.
    »Haste wat zu verkoofen oder biste jereist?«, fragt der andere und deutet gewissermaßen nur mit der Braue nach dem Koffer unter dem Tisch, der doch ganz unsichtbar ist. (Er hat also gut aufgepasst, der Knabe, trotz aller scheinbaren Versunkenheit. Achtung, Johannes!)
    »Ich war verreist«, antwortet Johannes Wiebe, gerade so kühl, wie es einem derart unberechenbaren Manne gegenüber möglich ist.
    »Weit?«
    »Ja, weit.«
    »Lange?«
    »Ja, lange.«
    »Kennste Balin?«
    »Ein bisschen.«
    »Möchste Balin kennenlernen?«
    »Jetzt bin ich todmüde.«
    »Soll ick dir Balin zeijen? Ick kann dir Dinger zeijen, da staunste direkt, und wenn de noch so weit jereist bist.«
    »Wenn ich hier aufgegessen habe, suche ich mir erst mal ein Hotel und schlafe mich aus«, sagt Johannes Wiebe und lächelt ein wenig. Aber sehr gemütlich ist ihm unter dem bösen, kalt abschätzenden Blick nicht.
    »Ick kenn een Mächen«, sagt der Blaublusige, »mit die muss ick dir bekannt machen. Det is det schönste Mächen von Balin.« Er denkt nach und setzt erklärend hinzu: »Se is ooch nich von hier!«
    »Nein, danke, wirklich«, antwortet Johannes Wiebe und verflucht innerlich diesen Zudringlichen, der ihn schon wieder aus Wärme und Behaglichkeit vertreiben will. »Ich bin auch für das schönste Mädchen von der ganzen Welt zu müde.«
    »Ach, du denkst, det is ’ne Nutte? Hast du ’ne Ahnung! Mir kiekt se übahaupt nich an! Aba valleicht kiekt se dir an. Det wär doch wat, nich?«
    Johannes Wiebe hat die letzte Scheibe Kartoffelsalat vom Teller gefischt, den letzten Schluck Kaffee getrunken. Es wird jetzt wirklich Zeit für ihn, dass er aufbricht. Lange wird dieser Vermittler schöner Frauen nicht mehr geduldig bleiben, und wenn Wiebe auch nicht gerade Angst vor ihm hat, so fühlt er sich doch nicht völlig in Form für eine Schlägerei.
    »Ich werde jetzt gehen müssen«, sagt er darum. »Wissen Sie vielleicht ein kleines anständiges Hotel hier in der Nähe?«
    In diesem Augenblick ruft eine schöne Mädchenstimme durch das Lokal »Emil! So hör doch, Emil Schaken!«
    Johannes Wiebe kommt es vor, als verstummte der Lokallärm vor dem Klang dieser schönen Stimme.
    Er dreht sich um auf seinem Stuhl und sieht –
Das Mädchen
    Er sieht in der Tür der Stampe ein Mädchen stehen. Es ist ein ganz einfaches Mädchen und muss wohl zu dem Betrieb hier um die Zentralmarkthalle gehören, mit solcher Selbstverständlichkeit ist es in dieses Lokal gekommen und sucht hier ihren Emil.
    Sie trägt gegen die feuchte Kälte draußen einen wollenen Jumper mit langen Ärmeln, sie ist überhaupt warm angezogen. Über dem bloßen Haar hat sie ein Kopftuch – irgendein Mädchen aus der Zentralmarkthalle also, aussehend wie ein Mädchen vom Lande.
    Und doch vergisst Johannes Wiebe über diesem beliebigen Mädchen seine Mattigkeit wie seinen unbequemen Nachbarn wie seinen Wunsch

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