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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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fortzukommen. Er vergisst sogar seine gute Erziehung, denn er starrt sie so unbekümmert und hingegeben an, dass sie durch diesen Blick gestört wird. Sie sieht ihn einen kurzen Augenblick lang an, er schlägt die Lider nieder, bezwungen.
    Da ruft sie noch einmal, ungeduldiger: »Wird es nun endlich, Emil?«
    Sein Nachbar weckt Johannes aus der Versunkenheit. Er hat seine Pranke auf den Arm des andern gelegt und sagt, wieder ohne seine Stellung zu verändern: »Det is det Mädchen! Wat sagste nu?«
    Ungeduldig, gänzlich unbekümmert um die Folgen, schiebt Johannes den Arm fort: »Ach, lassen Sie mich zufrieden, verstanden?«
    Da steht das Mädchen an ihrem Tisch. Ärgerlich sagt es zu seinem Nachbarn: »Wollen Sie nun endlich kommen, Emil? Frau Mahling ist schon sehr böse, und bei Oppermann schimpfen sie, dass unsere Kisten noch immer im Weg stehen!«
    »Nu?«, sagt Emil Schaken wieder triumphierend zu Johannes. »Hab ick zu ville jesagt? – Ich erkläre meinem Freund eben, Hanne, det du det schönste Mächen von Balin bist!«
    Ein unbeschreiblicher Ausdruck von Zorn und Verachtung erscheint auf dem Gesicht des Mädchens – Johannes Wiebe sieht ihn mit Entzücken. »Sie sollen mich nicht du nennen, Emil. Ich habe Ihnen das schon hundertmal verboten!«
    Ihre Stimme und ihr Blick zähmen das böse Tier.
    »Seien Se doch nicht so, Hanne!«, sagt er. »Det is doch keene Beleidigung nich, wenn ick Ihnen for det schönste Mächen von Balin hinstelle.«
    »Wollen Sie jetzt endlich kommen und die Kisten abtragen, Emil«, fragt sie.
    Sie beachtet den zweiten Mann am Tisch gar nicht, der doch ganz hingerissen ist von ihrer Stimme, ihrem Aussehen ...
    »Nee, Hanne, heut nich«, sagt der Blauhemdige ungerührt. »Bestellen Sie man Frau Mahling ’nen schönen Gruß und heute mach ick blau ...«
    »O Gott«, ruft das Mädchen, das sofort einsieht, heute ist wieder einmal mit Emil Schaken nicht das Geringste anzufangen. »Und kein Mensch zu kriegen! Und so viel Kisten abzutragen!«
    Mit einem plötzlichen Entschluss steht Johannes Wiebe auf. »Wenn ich Ihnen helfen dürfte, Fräulein?«
    Sie sieht ihn kühl, abschätzend an. »Das ist wohl keine Arbeit für Sie!«
    »Ich habe so was zehnmal, hundertmal gemacht – in den Staaten drüben, ich komme grade aus den Staaten. Ich bin Rückwanderer.«
    Emil Schaken ruft beifällig: »Det is richtig! Imma Kavalier! Imma ran wie Blücher!«
    Sie beachten ihn beide nicht. Sie sagt zögernd: »Es sind heute sehr viele und teilweise sehr schwere Kisten. Sie sehen nicht sehr kräftig aus.«
    »Ich bin kräftig.«
    Sie ist noch immer unentschlossen. »Frau Mahling gibt nicht mehr als anderthalb Mark die Stunde.«
    »Es ist schon recht, Fräulein.«
    Sie sagt mit einem plötzlichen Entschluss: »Also gut, kommen Sie!«
    Sie geht ihm rasch voran aus dem Lokal.
    Emil Schaken schreitet hinter ihnen drein: »Det kost’ne kleene Provisjon, mein Junge! Ick melde mir nachher bei dir!«
In der Zentralmarkthalle
    Das Mädchen ging ihm, ohne sich umzusehen, ziemlich rasch voran, unbekümmert um den noch gesteigerten Lärm der Straße. Ein Arbeiter, der mit andern rauchend an einem Lastwagen stand, rief ihr etwas nach, über das die andern in brüllendes Gelächter ausbrachen. Sie wandte nicht den Kopf.
    Erst, als sie den Eingang der Zentralmarkthalle erreicht hatten, fand Johannes Wiebe Gelegenheit, sie anzusprechen.
    »Einen Augenblick, bitte, Fräulein«, sagte er, ein wenig atemlos vor Erregung.
    Sie wandte sich um und sah ihn schweigend an.
    Um die beiden liefen und riefen die Händler, ununterbrochen schlugen die Schwingtüren mit einem leisen Ächzen zu. Von der Decke der Markthalle sandten die Bogenlampen ein weißes Licht, das durch Brodem und Staub grau und alt geworden war, ehe es noch ihre Gesichter erreichte. So sahen sie beide sehr bleich aus.
    »Er ist nicht mein Freund«, sagte Johannes Wiebe stockend. »Ich habe ihn nie gesehen.«
    »Das wusste ich doch gleich«, antwortete sie sanft. »Kommen Sie!«
    Wieder ging er eilig hinter ihr drein. Aber jetzt schwenkte er sein Köfferchen, als sei es eine leichte Feder. Eine grundlose, tiefe Fröhlichkeit erfüllte ihn: Sie hatte ihm nicht zugetraut, dass er der Freund dieses – Tieres sein könnte!
    An einem großen Gemüsestand hatte das Mädchen haltgemacht. Er stand abwartend ein paar Schritte abseits,während sie mit einer dicken Frau sprach, die im Besitz mehrerer Kinne war, aber auch einer Brille, die ihrem rundlichen Gesicht einen

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