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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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er sein Jackett aus, hing es an einen Nagel, dazu Schlips und Kragen. Er krempelte dieÄrmel seines Manschettenhemdes auf und versuchte, mit der Lederschürze zurechtzukommen.
    Das Mädchen sagte leise: »Erlauben Sie«, und kettete ihm die Messinghaken auf dem Rücken ein.
    »Danke«, sagte nun er.
    »Zuerst nehmen Sie die Apfelsinen«, sagte sie. »Werden Sie zwei Kisten schaffen?«
    »Ich denke doch«, antwortete er und lud drei auf.
    Ein Gefühl von Kraft erfüllte ihn, eine Freude am Leben, wie er sie seit Jahren, wie er sie vielleicht nie gekannt. Er dachte nicht daran, dass er eine schwere, grobe Arbeit, zu der keinerlei Geist gehörte, tat – da war diese Freude in ihm! Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, dass er eben noch krank und elend gewesen war – da war dieses Kraftgefühl in ihm!
    Sie zeigte ihm den Lastwagen, zu dem er die Kisten zu fahren hatte, ging einige Male hin und her mit. Dann, als sie wohl überzeugt war, dass er seine Sache verstand, verschwand sie. Nicht einmal ein kleines Gefühl des Bedauerns über ihr Gehen stieg in ihm auf – so konnte er ihr doch beweisen, was er zu leisten vermochte. Sie sollte sich wundern, wie leer der Gang geworden war, wenn sie wiederkam.
    Aber sie kam nicht wieder. Ein paarmal erschien Herr Oppermann, nickte schweigend und ging.
    Johannes aber karrte auf Leben und Tod. Zuerst wurde seine Stirn nass, dann fühlte er, wie das Hemd an seinem Rücken festklebte. Einmal hatte er ein so intensives Gefühl schmerzlicher Schwäche in den Beinen, dass er meinte, umfallen zu müssen. Aber grade da glaubte er, sie sich im Gang entgegenkommen zu sehen, und er schob weiter, laut »Vorsicht« schreiend wie die andern Arbeiter. Sie war es dochnicht gewesen, aber jedes Erinnern an die Schwäche eben war schon bei dem Gedanken an sie entschwunden.
    Herr Oppermann hatte unterdessen mit wachsendem Staunen der Arbeiterei des jungen Herrn zugesehen, der behauptete, in Kalifornien Pampelmusen gepackt zu haben, der eine Handschrift schrieb wie ein Kontokorrentbuchhalter und der mit einer Sackkarre hantierte wie der Vorarbeiter des Transportgewerbes.
    Herr Oppermann war nicht nur ein neugieriger, er war auch ein weitschauender Mann. Außerdem war er bei dem sich stets belebenden Geschäft und dem dabei ständig wachsenden Mangel an Arbeitskräften gerade um einen jungen Mann verlegen, der ihn ein bisschen entlasten konnte.
    Als also Johannes Wiebe grade wieder einmal mit seiner Sackkarre an ihm vorüber auf die Straße hinausgepoltert war, ging Herr Oppermann rasch in den düstern Gang, fasste ohne alle fremde Scham in die Innentasche des dort hängenden Jacketts und zog die Brieftasche heraus. Seine Augen wurden größer, als er sie aufschlug, als er die recht zahlreichen Scheine sah. Herr Oppermann sah sich fast ängstlich um.
    Er nahm den Reisepass in die Hände, las, nickte. ›So ein leichtsinniger Mensch!‹, dachte Herr Oppermann. ›Hängt sein Jackett mit solcher Brieftasche einfach hier hin.‹
    Als Herr Oppermann den Gang für sicher erklärt hatte, hatte er höchstens an eine dünne Arbeitertasche gedacht, für diese hier schien ihm der Gang nun doch nicht sicher genug. Behaglich lächelnd versenkte er die Wiebe’sche Tasche in seinen weißschmuddligen Überrock und nahm sich vor, dem jungen Mann bei der Rückgabe der Tasche neben einer kleinen Predigt über sträflichen Leichtsinn einen Engagementsvorschlag zu tun.
    Johannes Wiebe karrte unterdes ahnungslos weiter. Herr Oppermann, der ihm so aufmunternd und freundlich zulächelte, existierte gar nicht für ihn. Nichts existierte für ihn noch auf der Welt, weder Menschen noch gewichtige Kisten. Er wartete nur auf die Rückkehr eines Mädchens mit einer dunklen Stimme, die ihn beim ersten Laut schon mitten im Herz berührt hatte.
    Und endlich kam sie.
    Sie kam rasch, leise, und dabei schien sie doch ein bisschen verlegen. Sie warf nur einen flüchtigen Blick auf den recht leer gewordenen Gang und sagte dann: »Herr – nun weiß ich nicht einmal Ihren Namen!«
    »Wiebe, Johannes Wiebe«, sagte er.
    »Lark«, antwortete sie. »Johanna Lark.«
    Einen Augenblick sahen sie sich an. Dann mussten beide lächeln.
    »Zu Hause sagen sie Hannes zu mir.«
    »Und mich nennen alle Hanne.«
    »Hanne und Hannes«, sagte er.
    »Ja«, antwortete sie. »Komisch, nicht wahr?«
    Eine Stille entstand. Jetzt lächelten sie nicht mehr. Beide sahen sich ernst an, als dächten sie angestrengt über etwas nach.
    Das Mädchen schüttelte es

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