Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diese eine Woche im November (German Edition)

Diese eine Woche im November (German Edition)

Titel: Diese eine Woche im November (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
Vom Netzwerk:
Beistand die Bruderschaft bedarf. Wenn das Wappen das äußere Zeichen der Vereinigung darstellt, ist Eleonora die Verkörperung der inneren Verbundenheit. Durch sie gehören all diese Männer zusammen.
    Corniani beugt sich über ihre Hand. Sie richtet ihn auf und küsst ihn fest auf den Mund.
    » Aahh! « Der Applaus der Brüder ist voll Hingabe. Auch Sandro ist beeindruckt. Das Königspaar hat sich präsentiert. Der Bund ist vollzogen.
    Keiner der Anwesenden hört, was Eleonora dem Trucido auf der Galerie zuflüstert. » Nicht schlecht, mein Lieber. « Sie hält seine Hand fest.
    » Findest du? «
    » Du bist ja ein richtiger Entertainer. «
    Beide lächeln von der Galerie auf die Bruderschaft nieder.
    » Lassen wir die Party steigen. « Corniani bedeutet Eleonora, ihm zu folgen.
    In ihrem aufwendigen Kostüm hat sie Mühe, die Treppe zu bewältigen. Unten angelangt, gibt Marcantonio der Musik ein Zeichen. Er und die Königin treten in die Mitte und beginnen zu tanzen. Der Ball der Trucidi ist eröffnet.
    ***
    Drei Stockwerke tiefer hebt Julia den Kopf. » Schsch! Hör doch mal. «
    Ihr Vater legt den Kopf auf die Seite und lauscht. » Ich hör nichts. «
    » War da nicht Musik? «
    » Kommt vielleicht aus dem Nebenhaus. «
    Julia lässt die Eisenstange sinken. » Das ist über uns. Die haben den Nerv und spielen Musik? « Sie wischt sich über die Nase. Wasser, alter Verputz und Ziegelstaub bilden eine schmierige Schicht auf ihrem Gesicht. Trotz der Kälte schwitzt sie. Ihrem Vater geht es genauso. Seit Stunden machen sich die beiden an dem zugemauerten Fenster zu schaffen. Sie haben das Metallbett zerlegt und benutzen die Einzelteile als Werkzeug. Sie haben gekratzt, gehebelt, haben ihre Stangen in die schmalen Öffnungen geschoben, bis sie den ersten Stein aus der Mauer lösen konnten. Dahinter liegt ein Hohlraum. Die Mauer ihres Gefängnisses ist keine Außenmauer. Das enttäuscht und spornt sie zugleich an. Wo ein Hohlraum ist, gibt es möglicherweise einen Fluchtweg.
    » Weiter! « Der Vater setzt den Hebel erneut an. » Noch ein Stein, dann müssten wir erkennen, was dahinterliegt. «
    Julia packt mit an. Zusammen stemmen sie einen schweren Brocken aus der Wand.
    » Noch mal – und noch – mal! « Julia stößt das Eisen wieder und wieder in die Mauer. Der Stein gibt nach und poltert in die Zelle. Herbert steckt den Kopf in die Öffnung, er verschwindet bis zu den Schultern in dem Loch. Nach ein paar Sekunden zieht er sich zurück.
    » Was ist da? « , fragt Julia.
    » Ein Zwischenraum. « Seine Miene ist verschlossen. » Wahrscheinlich kommt man von dort ins Freie. «
    » Das ist doch super! Ein Fluchtweg? «
    Er setzt sich auf die Matratze. » Leider nicht für mich. «
    » Was? « Julia beugt sich selbst ins Loch, ihr T-Shirt schabt an den feuchten Steinen. Sie spürt einen Luftzug, das aufgebrochene Fenster führte früher wohl in einen Luftschacht. Julia dreht den Kopf. Einen Meter über ihr befindet sich eine Öffnung, das Loch misst etwa vierzig Zentimeter. Es ist groß genug, hinauszuschauen, groß genug, dass ein schlanker Körper sich durchzwängen kann. Für einen Mann von Herberts Statur ist es zu klein. Julia kommt zurück und sieht ihn an.
    » Du wirst gehen « , sagt ihr Vater schließlich.
    Sie kniet vor ihm nieder. » Ich lass dich auf keinen Fall allein. «
    » Es ist unsere einzige Chance. Du musst Hilfe holen. «
    Julia nimmt seine zerschundenen Hände. » Wenn sie meine Flucht entdecken, bringen sie dich um. «
    Er streicht ihr das Haar aus dem Gesicht. » Nicht, wenn du schnell genug bist. « Herbert bemüht sich um ein zuversichtliches Lächeln.
    » Nein, Papa, nein! « Sie will nicht schon wieder weinen. In Düsseldorf hatte sie oft gedacht, dass sie ihrem Oberlangweiler von Vater möglichst bald den Rücken kehren will. Und jetzt kniet Julia auf dem dreckigen Boden und heult Rotz und Wasser, weil sie ihren alten Herrn nicht mitnehmen kann. Weil sie allein flüchten soll. Weil sie ihn möglicherweise nie wiedersieht. » Wir schlagen ein größeres Loch in die Außenwand! Dann kannst du mit mir raus. «
    » Hast du die Mauer gesehen? « Er zieht sie in seine Arme. » Die ist einen Meter dick. Es ist schon richtig so. Du fliehst und holst Hilfe. «
    Ausgerechnet jetzt muss Julia daran denken, wie sie gemeinsam mit ihrem Vater diesen Strauch gepflanzt hat. Sie war sechs Jahre alt und hatte den Platz im Garten dafür ausgesucht. Herbert grub das Loch und pflanzte den Strauch mit gutem

Weitere Kostenlose Bücher