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33,1 Jahre, bei Frauen von 26,1 auf 30,3.
Es ist ein permanenter Spagat, den man den heute Dreißigjährigen abverlangt – Karriere sollen sie machen, bereit sein, Opfer für den Traumjob zu bringen; und gleichzeitig Kinder in die Welt setzen, den Sozialstaat retten. Hinzu kommen die Ansprüche, die sie an sich selbst stellen – Optimierung in allen Lebenslagen: vom perfekt trainierten Körper, der noch fehlenden Zusatzqualifikation, Horizont erweiternden Reisen und einem bereichernden Sozialleben.
Unter den Eltern der heute Zwanzig- bis Vierzigjährigen gab es noch viele Paare, die miteinander erwachsen wurden. Die sich mit 18 kennenlernten, mit 23 heirateten, mit 25 Kinder bekamen und bis heute die Geschichten erzählen, wie Papa in der bescheidenen 20-Quadratmeterbude an seiner Dissertation schrieb, während Mama auf dem Bett den Nachwuchs stillte.
Der Wunsch der Frauen nach Unabhängigkeit und die zum gesellschaftlichen Imperativ gewordene Selbstverwirklichung beider Geschlechter haben dazu geführt, dass dieses Programm immer später beginnt. Die geschlechtsreifen Großstädter begegnen sich zur Paarungszeit als fertige Persönlichkeiten, nach dem Motto: »Ich wär dann jetzt so weit.« Es hat sich ein Einstellungswechsel vollzogen: Sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen wird heute als eine Art Belohnung für die harten Jahre der Ausbildung und des Berufsanfangs wahrgenommen.
Und wie soll man sich denn binden, wenn die moderne Arbeitswelt es verhindert, Wurzeln zu schlagen? Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Zeitschrift Brigitte hat ergeben: Mehr als zwei Drittel der befragten Männer und Frauen sind der Meinung, dass man für beruflichen Erfolg Ortswechsel in Kauf nehmen muss. Und ebenso viele geben an, dass eine feste Beziehung sie nicht davon abhalten würde, eine berufliche Chance in einer anderen Stadt wahrzunehmen.
Der Eindruck, dass die Liebe für Millionen von Paaren etwas ist, was in der Zeit zwischen Freitag- und Sonntagabend stattfindet, eingepasst in die Abfahrtszeiten von Pendlerzügen, Mitfahrgelegenheiten und Businessfliegern, lässt sich durch handfeste Zahlen belegen: Jeder fünfte Unter-Dreißigjährige lebt in einer »bilokalen Partnerschaft«, zu Deutsch: führt eine Fernbeziehung, besagt eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Auf die Grundgesamtheit bezogen gehen Wissenschaftler davon aus, dass heute bei rund neun Prozent der Paare Liebe und Karriere nicht am selben Ort stattfinden. Jeder führt sein eigenes Leben – da ist es kein Wunder, dass Paare immer später gemeinsam sesshaft werden.
In einer bestimmten Lebensphase wird die Berufs- und Liebesbiografie als unvereinbar erachtet – etwa von Sven, der sich erst um das eine kümmern möchte, bevor er das andere angeht. Doch auch unter den gut ausgebildeten Frauen gibt es viele, die misstrauisch geworden sind gegenüber dem warmen Kokon einer Zweierbeziehung. Eine Online-Daterin, mit der ich für das Buch gesprochen habe (Clara aus dem fünften Kapitel) sagte sogar: »Ich habe bemerkt: Jedes Mal, wenn ich eine Beziehung hatte, ging es im Job nicht so recht voran. Meine Karrieresprünge habe ich immer gemacht, als ich Single war.«
Doch es ist nicht so, dass die heute Dreißigjährigen nur die kühlen Designer ihres beruflichen Lebenslaufs wären. Im Gegenteil, die Krisenrhetorik der Nuller-Jahre (Terror, Klimakatastrophe, Überalterung) blieb nicht ohne Folgen: Junge Erwachsene sehnen sich nach einem Partner an ihrer Seite. Werte wie Beziehung, Freundschaft und Familie stehen weiter ganz oben, wenn sie nach dem Sinn des Lebens gefragt werden.
Und so bezeichnet die Boston Consulting Group diese Altersgruppe folgerichtig (wenn auch etwas gaga) als »Generation Überraschungsei«. Damit ist nicht etwa die Unfähigkeit gemeint, erwachsen zu werden, sondern der Wunsch, alles gleichermaßen anzustreben – wie im Slogan »Spannung, Spiel und Schokolade«: eine erfolgreiche Karriere, eine spaßorientierte Freizeit und eine erfüllende Beziehung.
Nur eben alles zu seiner Zeit – so kann man auch Svens Lebensplan zusammenfassen. Projekt Karrieresprung. Projekt Tauchen lernen. Projekt Liebe fürs Leben finden. Sorgen, dass sich eine erfüllende Beziehung nicht auf Knopfdruck ins Leben zaubern lässt, hat er keine. »Ich hatte nie Probleme, Frauen kennenzulernen«, sagt er, sein Siegerlachen im Gesicht, »das wird dann schon, wenn es so weit ist.«
Nachdem wir gezahlt haben, frage ich Sven noch nach seinen
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