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man mit einer Beziehung auf Dauer den heißen Sex gegen Verlässlichkeit und Sicherheit eintauscht.
Warum ist das eigentlich so? Auch hierfür liefert die israelische Soziologin Eva Illouz eine schlüssige Erklärung – eine Analogie zum menschlichen Konsumverhalten. Ökonomen gehen davon aus, dass bei Konsumenten ein zu hohes Erregungsniveau zu Unbehagen führt, während ein zu niedriges Niveau Langeweile zur Folge hat, schreibt sie in ihrem Aufsatz »Zur postmodernen Lage der Liebe«. Lustgefühle entständen, indem man von einem zu hohen oder zu niedrigen Erregungsniveau auf das Niveau des optimalen Wohlbefindens zurückkehre. »In unserem Kontext heißt das, dass Beziehungen, wenn sie angenehm, d. h. ›erregend‹ sein wollen, die Behaglichkeit opfern müssen – zumindest periodisch. Das heißt jedoch auch, dass erregende Beziehungen dazu ›verdammt‹ sind, in Behaglichkeit zu enden und (…) in Langeweile.«
Die Furcht vor ebendieser Langeweile treibt Menschen in Halbbeziehungen – wohin man schaut, jeder kann eine solche nichts-Halbes-und-nichts-Ganzes-Geschichte erzählen. Dabei führt nicht selten der rationale Vorsatz der Unverbindlichkeit des einen (»Egal wer mir jetzt über den Weg läuft – ich will derzeit einfach nichts Festes«) beim anderen zu der sehnsuchtsvollen Hoffnung, das Zwischennutzungsrecht könne ausgeweitet werden. Ausgerechnet der, der mit seinen Gefühlen haushaltet und sich bei zu viel Nähe zurückzieht, wird für den anderen interessant: Er erzeugt einen emotionalen Engpass, und der ist reizvoller als ein Überangebot.
Meine Freundin Verena erzählte mir neulich, dass sie seit mehr als einem halben Jahr »was mit einem Typen habe«, wie das heute so schön heißt, und in diesem undefinierten »etwas« liege das ganze Problem: Sie sähen sich mindestens zwei Mal pro Woche, kochten gemeinsam, schauten Tatort, hätten Sex – »totales Pärchenprogramm«, sagte sie und riss die Augen dabei auf. Aber er wolle nicht von Beziehung sprechen, weil er sich nun mal vorgenommen habe, seit seiner letzten Beziehung mindestens ein Jahr zu warten und das Single-Leben zu genießen. »Wie verkopft ist das denn?« – Meine Freundin versteht die Welt nicht mehr. Eine andere Münchnerin, die ich für das Buch interviewt habe, beschwerte sich, weil der Mann, mit dem sie seit einer Weile schlief, ständig die Grenzen übertrat, die er in Form der Halbbeziehung selbst aufgestellt hat: Er guckt sie nach dem Sex jedes Mal verliebt an. Hält sie fest umschlungen. Flüstert »Bitte geh nicht«. Und lässt doch keinen Zweifel daran, dass er keine Beziehung mit ihr möchte. Jedes Mal, wenn sie mehr will, entziehe er sich. Es gibt kein Regelwerk fürs Halbzusammensein, keine Konvention, was geht und was nicht. Und das erhöht die Wahrscheinlichkeit für emotionale Kollateralschäden.
Sven Hillenkamp, der Autor des Bestsellers »Das Ende der Liebe«, hat im Tagesspiegel geschrieben: »Die freien Menschen nehmen keine Auswahl, die sich ihnen bietet, als endgültig hin. Tiere stellen eine Auswahl möglicher Partner, die sie vor Augen haben, nicht in Frage. Sie überschreiten diese nicht durch eine Suche an einem anderen Ort, schieben ihre Wahl nicht bis zum nächsten Jahr auf, in der Hoffnung, die Auswahl werde dann eine bessere sein.« Aber genau das ist es, was der Bekannte meiner Freundin Verena abklären will: Ob die Auswahl nach einem Jahr des Sich-nicht-Festlegens eine bessere ist. Zur Kasse gehen oder den Einkauf fortsetzen? Das ist die Frage, die sich alle Halb-Zusammenen und Affären-Inhaber stellen.
Die Crux ist: Je mehr Optionen wir haben, desto schlechter können wir uns entscheiden. Das konnten auch die Forscher der Universität von Chicago in Zusammenarbeit mit dem Psychologen Dan Ariely zeigen: Sie fanden heraus, dass Online-Dater sich mit weniger als einem Prozent der Leute, deren Profile sie durchklicken, zu einem Treffen verabreden. Beim Speeddating jedoch, wo man in der Regel höchstens ein Dutzend Kandidaten zur Auswahl hat, sind die Chancen viel höher, jemanden kennenzulernen: Der durchschnittliche Teilnehmer verabredet sich am Ende mit mindestens einem von zehn Kandidaten. Schlicht deshalb, weil die Auswahl begrenzt ist und er weiß: Besser wird’s nicht – ich muss mich jetzt entscheiden.
»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun« – Die Trennung von Sex und Liebe
Vor allem das Internet hat die Entstehung dieser Zwischenwelt menschlicher Beziehungen ermöglicht. Ein ganz
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