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Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Dilling
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stelle ich fest, dass es diesen Teil von ihm noch immer gibt: Sven, der sich die Spiele des FSV Mainz im Pilsstübchen ansieht, ein 11-Freunde-Abo hat, Irish-Pub-Musik mag. Und rot wird, wenn ihn die gut aussehende Bedienung im Café angrinst.
    Früher, zu Schulzeiten und in den ersten Semestern des Studiums, hat er selbst Fußball gespielt. Er war ein guter Innenverteidiger, schaffte es – wie er nicht müde wurde zu erwähnen – trotz chronischer Trainingsfaulheit, mehrere Saisons auf Landesliganiveau zu spielen. Doch irgendwann hatte er genug vom Vereinsfußball: Durch sein Auslandssemester in Barcelona und ein Praktikum in New York war es ihm zu viel geworden. Seit er nicht mehr Fußball spielt, hält er sich mit Kraftsport und Joggen fit, das kann man schließlich in jeder Stadt. Sein großes Ziel ist der Frankfurt Marathon im Oktober, für den er sich kürzlich angemeldet hat.
    So eine normale Arbeitswoche bei Sven hat sechzig bis siebzig Stunden. Von Montag bis Freitag ist er »beim Projekt«, also bei der Telekom in Bonn, bei einem Energieversorger in Leipzig oder bei einem Farbenhersteller in Franken. Ich erzähle ihm von meinem Buch und dass es mich interessieren würde, welche Rolle im Leben eines solchen High-Performers wie ihm die Liebe spiele. Sven guckt ein wenig irritiert. »Die Liebe? Darüber willst du sprechen?« Da muss er herzlich lachen.
    »Ich wär dann jetzt so weit«: Warum die Liebe heute nach der Karriere kommt
    Ich kann mich noch gut an Svens erste richtige Freundin erinnern: Steffi. Sie hatten sich während seines Zivildienstes kennengelernt und blieben bis zum Ende des Grundstudiums zusammen. Steffi war ein bildhübsches, weizenblondes Mädchen – bodenständig und verlässlich. Sie studierte Lehramt, konnte Bierflaschen am Fensterbrett aufmachen und war eine gute Snowboarderin. Svens Erasmusaufenthalt in Barcelona brach der Beziehung das Genick.
    Seine letzte Freundin, erzählt Sven, hatte er noch zu Diplomarbeitszeiten, das ist jetzt mehr als vier Jahre her. Seitdem »lief natürlich immer irgendetwas«, aber eben nichts Festes. Ein Mädchen hätte es in letzter Zeit gegeben, Michaela, mit der er ein paar Wochen lang eine Affäre hatte. »Ständig schrieb sie SMS und war beleidigt, wenn ich nicht gleich antwortete«, sagt Sven. Einmal habe sie ihn unangekündigt in Essen, wo er gerade dienstlich war, besucht. »Sie stand einfach am Bahnhof und wollte einen romantischen Abend verbringen – da wusste ich, das wird mir gerade viel zu viel.« Er beendete das Ganze, bevor es richtig losging. Er sagte Michaela einfach die Wahrheit: dass seine Karriere gerade Vorrang hat.
    »Jetzt sind doch die Jahre, wo ich Gas geben kann. Später kann ich mein Pensum immer noch zurückschrauben und eine Familie gründen.« Er wolle erst mal gutes Geld zusammenverdienen, um sich einige lang gehegte Wünsche zu erfüllen. Eine schöne Altbauwohnung finden. Tauchen lernen. Mit dem Rucksack von Peru bis Feuerland.
    So wie Sven denken heute viele: erst im Job vorankommen, sich einen Lebensstandard erwirtschaften. Wer sich über Jahre durch ein Studium, Auslandssemester und Praktika an das herangerobbt hat, was man gemeinhin Karriere nennt, der möchte sich nicht von ein paar Schmetterlingen im Bauch aufhalten lassen. Zu mühsam war der Weg, zu vereinnahmend ist nun das Leben, für das man sich abgestrampelt hat.
    Der Berufseinstieg ist holprig geworden. Zwar haben gut ausgebildete Akademiker noch immer die besten Chancen auf dem Jobmarkt, doch jeder vierte 20- bis 35-Jährige absolviert heute vier Praktika und mehr. Wenn der Eintritt in ein Unternehmen erfolgt, dann meist über mehrmals befristete Verträge, über Zeitarbeit oder (Schein-)Selbstständigkeit. Eine reguläre Festanstellung direkt nach dem Studium zu bekommen ist so wahrscheinlich wie der Abstieg des FC Bayern in die zweite Liga.
    Vor allem wer existentielle Sorgen hat, versucht erst mal die Ich- AG krisenfest zu machen, bevor er Verantwortung für eine Familie übernehmen will. Drei von vier jungen Erwachsenen haben Angst, im Alter zu wenig Geld zu haben. 62 Prozent der Vollzeitbeschäftigten unter dreißig beziehen laut Deutschem Gewerkschaftsbund ein Bruttoeinkommen von weniger als 2000 Euro monatlich. Vor fünf Jahren erhielten nur 51 Prozent ein so niedriges Gehalt. Unter diesen Umständen überrascht es kaum, dass das Heiratsalter innerhalb von nur zwanzig Jahren um mehr als vier Jahre gestiegen ist: Bei Männern seit 1991 von 28,5 auf

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