Diesen Partner in den Warenkorb legen
für die Frauen, die er trifft, sondern vor allem für Angela Merkel. Wenn junge Menschen in Deutschland später oder gar keine Bindungen eingehen, heißt das: weniger Kinder, und weniger Kinder bedeuten ächzende Kranken- und Sozialkassen.
Um ein möglichst exaktes Bild »der partnerschaftlichen und familialen Lebensformen in Deutschland« zu bekommen, wurde 2008 Pairfam ins Leben gerufen. Eine Längsschnittstudie so groß und umfassend wie keine vor ihr: mit mehr als 12 400 Männern und Frauen aus drei Alterskohorten, die über einen Zeitraum von vierzehn Jahren hinweg zu verschiedenen Themen befragt werden. Das übergreifende Forschungsprojekt der TU Chemnitz, der Universität Bremen und der LMU München will nichts Geringeres als die Wahrheit über die Liebe in Deutschland herausfinden.
In einer der ersten Befragungswellen von Pairfam wurde auch nach dem Beziehungswunsch der Deutschen gefragt. Das überraschende Ergebnis: Bei Single-Männern lässt der Wunsch nach einer Partnerin mit zunehmendem Alter nach, bei Frauen steigt er mit dem Alter an. Einer von fünf Männern zwischen 35 und 37 gibt an, keine Beziehung zu wollen, wohingegen dies nur eine von zehn Frauen in diesem Alter sagt. Auch wenn die Zustimmungswerte insgesamt hoch erscheinen: Auf die Grundgesamtheit gerechnet entsteht eine große Diskrepanz zwischen Männern und Frauen, Tausende Frauen stehen miteinander im Wettbewerb. Denn die obige Zahl heißt nichts anderes, als dass es doppelt so viele Single-Frauen gibt, die sich nach einer festen Partnerschaft sehnen, wie Single-Männer.
Die Super-Individualisten tun sich schwer mit der Liebe: Auf ihrer fein ausgeklügelten Liste mit Lebensprojekten rutscht sie immer weiter nach hinten. Erst noch das Auslandssemester, das Praktikum, die Probezeit, dann der Karrieresprung.
Natürlich, und das sieht man auch an den Pairfam-Zahlen, streitet kaum einer ab, dass er gerne eine erfüllende Beziehung eingehen möchte – aber viele biografische Einzelentscheidungen führen dazu, dass dieser Wunsch in Konkurrenz zu anderen Lebenszielen steht. Keiner will sich heute vorwerfen lassen, aus romantischen Gründen eine berufliche Chance ausgeschlagen zu haben. Der »Griff nach den Sternen des Ichs« 4 erscheint reizvoller.
Während man seine Karriere vorantreibt und kaum Zeit für eine ernsthafte Beziehung hat, kann man sich – wie Sven – mit Sex-Abenteuern oder Halbbeziehungen das nötige Maß an zwischenmenschlicher Nähe holen. In der neuen Welt der Liebe werden Beziehungen immer öfter als Hindernis auf dem Weg zu Selbstverwirklichung und individuellem Aufstieg gesehen. Die Super-Individualisten von heute sind sich selbst die besten Lover. Sie halten sich, um es mit dem Berliner Autor Malte Welding zu sagen, für solch kostbare »Sonderanfertigungen«, dass sie es kaum schaffen, unter »der Ramschware des Beziehungsmarktes« etwas Vergleichbares zu finden.
Die mediale Inszenierung der eigenen Person, etwa in den sozialen Netzwerken des Internets, ist ein Weg, sich seiner selbst zu vergewissern und Antworten auf die Fragen zu bekommen: Wie ist mein Marktwert? Habe ich Stil? Bin ich witzig? Kann ich mitreden? Aber sie führt eben auch zu einer narzisstischen Tendenz, der Blick für die Bedürfnisse und Eigenheiten anderer Menschen geht verloren.
»How to be your own best friend. Ist das die einzige Hoffnung, die bleibt?«, fragen die Soziologen Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim in ihrem Buch »Das ganz normale Chaos der Liebe«. Geht es also darum, sich selbst sein bester Freund und Partner zu sein? »Führt die Individualisierung, die anfangs die romantische Sehnsucht erzeugte, konsequent und zwangsläufig in ein neues Stadium hinein – in die postromantische Welt?«
Das nächste Kapitel zeigt, dass dies keineswegs so ist. Wenn die Zeit reif ist, wollen sich die Liebesklugen von heute verlieben – ganz gezielt und vernünftig. Mit den Partnerbörsen im Internet haben sie die idealen Werkzeuge an die Hand bekommen.
4 Ulrich Beck / Elisabeth Beck-Gernsheim
Tag 5
Tag 5 – Werbemaßnahme in eigener Sache: mein Profil
Ich bin jetzt also Teil einer Kartei. Ein winziges Rädchen in der großen Liebesmaschine. Eine von mehr als fünf Millionen in Deutschland, die online nach einem Partner suchen. Wie macht man auf diesem gigantischen Marktplatz auf sich aufmerksam? Ich versuche drei repräsentative Bilder für mein Profil bei ElitePartner auszuwählen. Gar nicht so einfach. Für Stunden verliere ich
Weitere Kostenlose Bücher