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»Bei finya geht’s ja nur um das eine« – solche Sätze habe ich bei meiner Recherche immer wieder gehört. Die Haltung: Da, wo wir uns kennengelernt haben, ging es niveauvoll zu, aber woanders, da sind nur Leute, denen es um schnellen Sex geht.
Es ist ganz auffällig: Je nachdem, welches Suchprogramm gerade läuft – »Ich will nur Spaß« oder »Ich suche was Festes« –, wird das Wertesystem austariert: Ein Mann, der auf der Suche nach einer Beziehung ist, sieht auf eine Frau, die am ersten Abend mit ihm ins Bett geht, herab. Sie kommt als »Beziehungsmaterial« nicht mehr in Frage, weil es so einfach war, sie in die Kiste zu bekommen. Ein Mann, der nur auf ein Abenteuer aus ist, ermuntert eine Frau, am ersten Abend mit ihm zu schlafen, und bewundert sie für ihre selbstbestimmte Sexualität.
Frauen kommt die absurde Aufgabe zu abzulesen, mit welchem Typ Mann sie es gerade zu tun haben. Weil das nicht immer einfach ist, steht ihnen ein ganzes (vor allem amerikanisches) Ratgebersegment zur Verfügung, das ihnen erklärt, wie man einen Mann »an sich bindet«: Titel wie »How to find a man and keep him« oder »So finden und fesseln Sie die Liebe Ihres Lebens« sind unglaublich erfolgreich. Die Bindungsangst des einen Geschlechts hat zu Fesselspielen beim anderen geführt. Wobei die Tipps in diesen Büchern überschaubar sind und sich mit »Mach dich rar« und »Hab nicht gleich am ersten Abend Sex« zusammenfassen lassen.
So einfach vieles geworden ist, seit wir den Sex von der Liebe entkoppelt haben, so viele emotionale und politische Folgen hat es. Haben die Frauen in ihren Zwanzigern verinnerlicht, dass ein sexuell selbstbestimmtes Leben, wie es ihnen die Popkultur in Form von »Sex and the City« vorgelebt hat, möglich ist, müssen sie mit Anfang dreißig erkennen: Die Macht in diesem Spiel haben noch immer die Männer – schlicht deshalb, weil sie es sich biologisch leisten können, sich nicht festzulegen. Sie können noch mit Mitte sechzig oder später eine Familie gründen, wie Ulrich Wickert (mit 70), Fritz Wepper (mit 70) und Rupert Murdoch (mit 72) unter Beweis gestellt haben. Frauen nicht. So können Männer sich emotional bedeckt halten und trotzdem aus einem Überangebot an bindungswilligen Frauen schöpfen. Und unter den Frauen herrscht, wie es die ZEIT kürzlich formulierte, »Hektik wie vor Börsenschluss«.
Es scheint, als zwinge der biologische Vorteil der Männer die Frauen zu einem überkommen geglaubten Rollenverhalten. Dazu passt, was die Psychologin Anne Campbell von der Universität Durham herausgefunden hat: Deutlich mehr Frauen als Männer verspüren nach einem One-Night-Stand Unbehagen. Nur 47 Prozent von 1700 befragten Frauen gaben an, das Einmal-Erlebnis durchweg positiv gefunden zu haben, im Vergleich zu 80 Prozent bei den Männern. Während diese dazu tendierten, ihren Freunden von dem Erlebnis zu erzählen, fürchteten Frauen stärker um ihren Ruf und behielten das einmalige Erlebnis eher für sich.
Wir Selbstdarsteller – Warum es uns so schwerfällt, uns auf andere einzulassen
Bevor ich mit meinem alten Bekannten Sven zum Frühstück verabredet war, hatte ich mich im Internet über ihn auf den neuesten Stand bringen wollen: Bei Xing lächelte mir ein fachmännisch abgelichteter Anzugträger entgegen, der sich in dem Businessnetzwerk mit einem beeindruckend lückenlosen Lebenslauf präsentierte – gespickt mit englischen Vokabeln, unter denen ich mir wenig Konkretes vorstellen konnte: Senior Analyst, Internal Operations irgendwas. Es roch nach Karriere.
Für sein privates Profil bei Facebook hatte Sven ein Bild von sich im dunkelblauen Polohemd gewählt, er sitzt am Strand und guckt nachdenklich auf die Wellen, ich tippte auf Hawaii. In Svens Facebook-Alben fand ich noch weitere Bilder von Fernreisen, allesamt bestens als Fototapete geeignet. Natürlich empfand ich schlagartig jenen Sozialneid, wie ihn nur die Urlaubsbilder anderer Leute bei Facebook auslösen können. Herumgekommenheit als neues Statussymbol. Unter seinen Fotos war kein einziges Partybild. Keine ironischen Hüte. Eine sorgsam kuratierte Auswahl, auf jedem Bild sah Sven in einer markuslanzigen Art gut aus.
Doch genauso wie die englischen Worthülsen in seiner Jobbeschreibung bei Xing mir keinen Eindruck davon vermitteln, ob Sven in seiner Unternehmensberatung wirklich hoch in der Hierarchie stand und – noch viel wichtiger – ob ihm sein Job eigentlich Spaß machte, hatte ich vor dem Treffen
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