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Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Dilling
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mich in meiner Iphoto-Bibliothek. Schon wieder verbringe ich einen Abend mit Weißwein auf meiner Couch – mein neues Hobby kostet ganz schön viel Zeit.
    Natürlich gibt es auch von mir Fotos, die entweder gephotoshopped sind oder auf denen ich zufällig unglaublich gut aussehe, von denen ich aber weiß, dass sie nicht die Person zeigen, die morgens im Büro sitzt. Ich habe wahnsinnige Angst vor dem sogenannten »Fotoschock«. Viele meiner Interviewpartner erzählten mir von dem Moment, als sie ihr Online-Date beim ersten Treffen schon von Weitem sahen und wussten: Das wird nix. Wenn ich einem Mann ansehen würde, dass er im Moment unserer Begegnung seine Enttäuschung nicht verbergen kann, wäre mein Selbstwertgefühl unwiderruflich beschädigt.
    Ich überlege mir einen Weg, Fotos von mir zu klassifizieren, und erfinde die Gala-Skala: Die Höchstzahl, 10 Punkte, bedeutet, dass ich roter-Teppich-mäßig zurechtgemacht und gut getroffen bin. 1 Punkt bedeutet eine Art Schnappschuss, bei dem ich realistisch aussehe und so wie immer wirke. Ich beschließe, dass der Durchschnitt der drei Profilbilder in der Mitte liegen sollte – weder im einen noch im anderen Extrem.Ich wähle:
    1.) Ein Bild, auf dem ich lache, es wurde bei einer Wanderung aufgenommen. Haare offen, blau-rot-weiß kariertes Tuch um den Hals, ich sehe glücklich aus. Gala-Faktor: 6.
    2.) Ein Bild, das mich im Biergarten zeigt. Ich trage ein weiß-blau gestreiftes T-Shirt und halte einen Maßkrug. Gala-Faktor: 2.
    3.) Ein Bild, das bei einer Hochzeit entstanden ist. Dunkelblaues Kleid, Goldschmuck, Haare drapiert. Hierauf sehe ich nach meinem Dafürhalten besser aus als in natura. Gala-Faktor: 10 (mindestens).
    Während die Betreiber der Seite meine Bilder prüfen, sehe ich mir die Fotos der Männer an. Erstes Missverständnis: Der attraktive Mittdreißiger mit der Surferfrisur ist kein Interessent, das ist das Standardbild, das angezeigt wird, wenn Mitglieder noch kein eigenes Foto haben. Die Realität sieht leider anders aus.
    Da ist zunächst mal die Passbildfraktion: Grau melierter Fotostudiohintergrund, Anzug, Bewerberlächeln. Dann gibt es die »Ich habe einen beachtlichen Fisch gefangen oder stehe vor meinem Sportwagen«-Kandidaten. Es gibt solche, die versuchen, wahlweise mit ihrem Hund (Labrador, Golden Retriever) oder ihrer Rumgekommenheit (Eiffelturm, Golden Gate Bridge, Ayers Rock) zu punkten. Und schließlich die, die auf Humor setzen: Sie zeigen auf doppeldeutige Leuchtreklamen oder tragen Marge-Simpson-Perücken.
    So zahlreiche Gedanken wegen ihres Fotos machen sich anscheinend nur Frauen. Oder nur ich. Die anderen Frauen bei der Partnerbörse sehe ich ja nicht. Es ist ein komisches Gefühl: ich allein gegen so viele Männer. Mein Profil ist ein Schaufenster, an dem Zehntausende vorbeisurfen.
    »Beschreiben Sie Ihr Aussehen in fünf Worten.« Ich schreibe groß, blond, blauäugig und denke im selben Moment: Mist, jetzt sehen die Gisele Bündchen vor sich. Ich schreibe noch sportlich und kräftig dazu. Bin mir aber vor allem wegen des letzten Wortes unsicher. Klingt nach Kugelstoßerin. Füllig? So schlimm ist es auch wieder nicht. Vollschlank? Christine Neubauer lässt grüßen. Gut gebaut? Ich bin doch nicht aus Lehm. Dann bleibt das fünfte Wort eben weg.
    Ich splitte meine Persönlichkeit in vorhandene Kategorien auf: in Hobbys, Lieblingsessen, Urlaubsvorlieben. Bevorzugte Küche: Italienisch, Französisch, Asiatisch, Gutbürgerlich. Sportarten: laufen, schwimmen, Skifahren, wandern. Schreiben das nicht neunzig Prozent aller Mittdreißiger? Wer soll sich darunter eine Person vorstellen können?
    »Der Prozess der Selbstbeschreibung bedient sich kultureller Skripte der wünschenswerten Persönlichkeit«, habe ich bei Eva Illouz gelesen. Jetzt weiß ich, was die Soziologin meint: Alle Männer geben in ihrem Profil an, dass sie offen sind. Dass sie jemanden zum Pferde stehlen suchen. Ihnen Ehrlichkeit wichtig ist. Die sprachvermittelte Selbstdarstellung neige zur Uniformität, schreibt Illouz. Wie recht sie hat.
    Die Profile, die ich durchklicke, sind eine Ansammlung von Floskeln und Allgemeinplätzen: Im Streit mit dem Partner darf man nicht alles auf die Goldwaage legen. Soll man auch mal »fünf grade sein lassen«. Pauschalurlaub ist doof, Abenteuerurlaub super. Das »ideale Wochenende« beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück. Sieh an! In München, wo ich suche, ist es außerdem Pflicht zu schreiben, dass man häufig in die Berge

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