"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
Jeder brachte etwas mit, damit wir die Geburtsstätte Jesu so schön wie möglich gestalten konnten. Und mit dieser Krippe wurde dann voller Inbrunst die Geschichte Jesu nachgespielt. Daran hatten wir großen Spaß und natürlich weckte es auch unsere Vorfreude auf das Fest und, nicht zu vergessen, auch auf die Kekse.
Ganz anders aber war es auf einmal in Deutschland. Ich war am 11. November gelandet und hatte mich zwangsweise mit der Kälte schon etwas vertraut gemacht. Schnee jedoch hatte ich noch nicht gesehen. Plötzlich fielen weiße Flocken vom Himmel und bedeckten den Boden. Das ist auch so ein Klischee: Ein Afrikaner kennt keinen Schnee. Aber in diesem Fall stimmte es wirklich. Ich war ebenso fasziniert wie meine Schwestern. Meine Eltern, die das Spektakel inzwischen kannten, hatten vorgesorgt: Sie präsentierten uns Schneeanzüge. Und so erlebten wir im peppigen Einteiler den ersten Schneefall in Hannover. Damals war mir das alles noch sehr suspekt, heute hingegen mag ich den Schnee und auch die Kälte. Ganz im Gegensatz zu dem, was die Menschen von mir erwarten. Ich bin eher ein Typ, der, wenn es geht, die Sonne meidet und den Schatten sucht. Ist es sehr warm, verliere ich gerade beim Fußballspielen bis zu vier Liter Flüssigkeit. Da ich so viel schwitze, bekomme ich öfter Krämpfe und einmal musste ich deshalb schon an den Tropf. Also, wenn ich es mir aussuchen kann: 20 Grad, bedeckt und trocken. Das ist für mich optimal.
Aber zurück zum jungen Gerald im Schneeanzug. Schön war es schon, dieses pulvrige weiße Zeug. Und wenn die Erde damit bedeckt ist, kommt irgendwie eine eigentümliche Ruhe auf. Weiße Weihnacht, der Traum aller Deutschen! Ich konnte das zwar verstehen, aber bei der Geburt Jesu hatte es in Nazareth auch nicht geschneit. Da herrschten eher Temperaturen wie in Ghana. Und auch diese eigenartigen Weihnachtsbäume hatte es dort nicht gegeben. Das war auch wieder so eine komische Neuerung in Deutschland für mich. Plötzlich wurde der Baum ausgeklappt. Ja, Sie lesen richtig, ausgeklappt. Denn meine Eltern waren in dieser Hinsicht sehr ökonomisch. Seit der Geburt meines Bruders hatten sie die Sitte übernommen, einen Baum aufzustellen. Aber, so sagten sie sich, warum immer einen neuen? Der ist teuer und verliert nach wenigen Tagen seine Nadeln. Deshalb war er im Hause Asamoah aus Plastik. Da ich als Neuankömmling die echten Weihnachtsbäume nicht kannte, hat mich das nicht weiters gestört. Im Gegenteil. Auch unser Plastikbaum wurde geschmückt. Mit Kugeln und Lametta. Weil aber auch von einem Plastikbaum etwas herunterfallen konnte, schob man ganz unfestlich Zeitungspapier unter den Ständer. Das war optisch nicht ganz der Burner, aber praktisch. So wurde nämlich der Teppich geschont. Ich war mir damals noch nicht bewusst, dass der Anblick dieser Kombination aus Plastik und Zeitung bei meinen deutschen Freunden eher einen Verzweiflungsschrei nach sich gezogen hätte, aber wir fanden das Ding cool!
Am Heiligen Abend vor dem Festtag schon ließ sich die feierliche Stimmung spüren. Beim Putzen der Wohnung habe ich mir eine Weihnachts-CD aufgelegt. Auf Englisch, aber mit den üblichen Hits. Können Sie sich das Bild vorstellen: Klein Gerald, gerade mal am Anfang der Pubertät, mit dem Putzlappen unterwegs, ein fröhliches »I’m dreaming of a white Christmas« trällernd. Dass es so weit mit mir kommen sollte, hätte ich mir in Ghana nicht träumen lassen.
Aber das war nicht das einzige Eigenartige. Denn auch in der Schule ging die Weihnachtszeit mit ungewöhnlichen Erlebnissen einher. Bei uns in der Klasse wurde nämlich gewichtelt, also einer schenkt dem anderen etwas, ohne sich zu erkennen zu geben. Mich freute das anfangs natürlich. Denn die Aussicht auf ein schönes Geschenk ließ mich auch ordentlich kreativ werden. So besorgte ich dem von mir zu Beschenkenden ein tolles kleines Spielzeug, in froher Erwartung natürlich, ich würde Ähnliches bekommen. Aber meine Enttäuschung war ziemlich groß, als ich, natürlich in guter weihnachtlicher Absicht, von meinem Klassenkameraden eine Kerze geschenkt bekam. Die konnte nichts! Die leuchtete nicht besonders, die spielte keine Melodie! Eine einfache Kerze. Später war mir natürlich klar, dass er es gut gemeint hatte. Eine Kerze stand eben hierzulande für Weihnachten.
2 Pure Festlichkeit im Hause Asamoah: mein erstes Weihnachten in Deutschland
Aber nicht, dass Sie denken, ich wäre mit nichts zufrieden gewesen. Sie haben ja schon
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