"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
Aufgabe, obwohl wir in Rostock antreten mussten. 10 000 Zuschauer waren in das Stadion gekommen und schnell hatte ich das Gefühl, nur wegen mir. Denn schon beim Warmmachen spürte ich den Hass, der mir von den Rängen entgegenschlug. Er kam aus heiterem Himmel und setzte sich während des Spiels fort. Die Zuschauer schienen sich abgesprochen zu haben, sie agierten, als wollten sie ein Zeichen setzen nicht gegen, sondern für Rassismus. Bei jedem meiner Ballkontakte waren Affengeräusche, Sprechchöre, Beleidigungen zu hören.
In meinem Kopf rumorte es. »Hallo, liebe Rostocker, ich habe für Deutschland gespielt, bin Dritter der WM. Wir haben doch zusammen gefeiert, ich bin Deutscher, ist das denn alles schon vergessen?« Tatsächlich ja. Der Schiedsrichter wollte das Spiel in der Halbzeit schon abbrechen, mein eigener Trainer Mirko Slomka fragte mich, ob ich überhaupt weiterspielen wolle. Sie hatten natürlich alles mitbekommen. »Das sei beschämend und abstoßend, ich hätte nicht gedacht, dass es so was noch gibt«, sollte mein Trainer nach dem Spiel den Journalisten in den Notizblock diktieren. Und auch der Schiedsrichter machte seine Eintragungen in den Spielbericht. Aber ich wollte den Leuten den Triumph nicht gönnen, dass sie einen schwarzen Spieler dazu bringen, sich auswechseln zu lassen und zu kapitulieren. Ich wollte meine Antwort auf dem Platz geben, so wie es schon in der Jugend gewesen war, wenn mich ein Gegenspieler beleidigt hatte. Wir gewannen 9:1, ich war an sieben Toren beteiligt und schoss selbst zwei.
Aber der sportliche Erfolg machte die seelischen Verletzungen und Beschädigungen des deutschen Rufs im Ausland nicht wett, zumal dieser Vorfall eine große Öffentlichkeit bekam. Selbst in Ghana wurde der Umgang mit Ausländern in Deutschland wieder ein Thema. Damit war die WM ein Stück weit verpufft. Die Vorkommnisse zeigten, dass leider nicht alles glänzt, was Schwarz-Rot-Gold ist. Die tolle Stimmung der Sommertage und die gelebte Toleranz wichen der Realität. Und die war immer noch von Rassismus geprägt, gegen die sich viele nicht so zur Wehr setzen konnten wie ich, der ich in der Öffentlichkeit stehe und dem man deshalb zuhört.
Natürlich aber musste ich mich fragen, wie ich mit dem Rostocker Skandal umgehen wollte. Zwar haben sich die Verantwortlichen von Rostock bei mir entschuldigt – der Verein bekam eine Geldstrafe von 20 000 Euro inklusive eines Geisterheimspiels aufgebrummt – und die Stadt Rostock wollte, dass ich mich in das goldene Buch der Stadt eintrug. Aber ungeschehen gemacht waren diese Kränkungen damit nicht, zumal ich einer der Nationalspieler war, die wenige Monate später in Rostock bei einem Länderspiel gegen Georgien auf dem Platz stehen sollten. Eine Gelegenheit für die Rostocker, etwas wieder gutzumachen. Doch leider war ich dann bei diesem Spiel nicht dabei, weil ich mir vorher bei einem Europacup-Spiel mit Schalke in Nancy ein Bein brach und lange für den Verein und das Nationalteam ausfiel.
Fest steht, dass ich mir damals gewünscht hätte, dass aus dem Kreis der ehemaligen Spieler der Nationalmannschaft und vor allem vom Kapitän eine Reaktion gekommen wäre. Eine eindeutige Stellungnahme gegen solche Vorkommnisse. Dass dies nicht passiert ist, hat mich sehr enttäuscht und machte mich doch sehr nachdenklich.
Rücktritt oder nicht
In dieser Zeit, die für mich auch wegen meiner Verletzung sehr frustrierend war, habe ich sogar manchmal darüber nachgedacht, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten. Was macht es für einen Sinn, dachte ich, für ein Land zu spielen, dessen Fans mich nicht wollen? Diese Frage spukte ständig durch meinen Kopf. Und viele Details fielen mir wieder ein, die auch das Bündnis aktiver Fußballfans (B.A.F.F.) für die Ausstellung »Tatort Stadion« zusammengestellt hatte:
Wie deutsche Hooligans 2005 im Zuge der Partie Deutschland gegen Slowakei in der Slowakei randalierten, Hass und Zerstörung mitbrachten und somit das Bild beschädigten, dass die Welt 2006 in Deutschland wirklich zu Gast bei Freunden sein würde.
Wie mein großes Vorbild Anthony Yeboah bei Bundesligaspielen mit Sprüchen wie »Husch, husch, husch, Neger in den Busch!« empfangen wurde.
Wie Erwin Kostedde, der erste schwarze Nationalspieler Deutschlands, nur bei Auswärtsspielen eingesetzt wurde, weil er von den »heimischen« Fans gerne rassistisch beschimpft wurde.
Wie Bundesligaprofi Jonathan Akpoborie von Hertha-Fans eine Banane beim Signieren von
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