"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
Bahnhof, wenn ich jemanden abholen musste, gar nicht erst aus dem Auto stieg.
Der Schrecken saß nämlich tief. Im Jahr 2004 habe ich, vielleicht sogar etwas blauäugig, in Dortmund ein Fußballspiel besucht. Im Stadion Rote Erde spielte die zweite Mannschaft des BVB gegen die Zweitvertretung des HSV. Ein guter Freund, Charles Taki, ebenfalls ein gebürtiger Ghanaer, stand zu dieser Zeit in Hamburg unter Vertrag. Ich machte also einen Familienausflug nach Dortmund, mit Frau, Patenkind, Cousine und der Schwester meiner Frau. Doch als die Fans des BVB mich entdeckten, brach die Hölle los. Das Spiel wurde zur Nebensache und ich wurde zur Zielscheibe der BVB-Fans. Es hätte nicht viel gefehlt, da hätten die Dortmunder Anhänger den Fanblock des HSV gestürmt. Die Polizei bat mich dann, um weitere Eskalationen zu vermeiden, mit meiner Familie das Stadion so schnell wie möglich zu verlassen. Wir wurden unter Polizeischutz zum Auto geführt und fuhren heim. Mit zitternden Knien. Nicht auszumalen, wenn meiner Familie etwas passiert wäre. Sie aber haben den Hass der Fans voll mitbekommen und fragten sich auch, was das alles mit Fußball zu tun hat. Seither bin ich noch viel mehr als vorher der Meinung, dass Rivalität niemals in Hass umschlagen darf. Und eine Schule in Dortmund hat dafür ein gutes Beispiel gegeben.
Asamoah ist ein Botschafter
von Dr. Theo Zwanziger
(ehemaliger Präsident des Deutschen Fußballbundes)
Um es sofort zu Beginn zu schreiben: Ich habe Gerald Asamoah immer bewundert. Er, ein Fußballer, der immer seine Leistung gezeigt hat, hat auch im sozialen Bereich sein Fußballtalent genutzt, um eine Bresche gegen Diskriminierung zu schlagen.
Es gibt ja für Minderheiten oft Situationen, in denen man lieber schweigt, weil man weiß, dass man anders ist und deshalb beobachtet werden könnte. Bei gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung ist das beispielsweise der Fall. Gerald Asamoah aber konnte sein Anderssein nicht verbergen. Und wollte es auch nicht. Er hat immer Mut bewiesen, indem er offen mit den Dingen umgegangen ist.
Ich habe ihn bewusst wahrgenommen, als er 2001, als ich noch Schatzmeister beim DFB war, Nationalspieler wurde. Sportlich war und ist er immer noch ein Spieler, den ich besonders gerne sehe. Ein großartiger Stürmer mit einer tollen Wendigkeit trotz seines kräftigen Körpers. Und natürlich bemerkte ich auch sofort die afrikanische Ausgelassenheit und Fröhlichkeit, die er ausstrahlte und sein Markenzeichen wurde. Zu dieser Zeit habe ich allerdings auch viele Briefe aus der nationalistischen Ecke bekommen, die sich gegen Asamoah richteten.
Das ist heute anders. Gerald Asamoah hat einen großen Beitrag dazu geleistet, dass das Problem, das der versteckte und offen gezeigte Rassismus darstellt, zurückgedrängt worden ist. Durch seinen Charakter, seine Leistung und seinen Mut.
2001 hat der DFB seine Satzung in Bezug auf Diskriminierung deutlich verschärft und diesbezüglich eine Strukturreform durchgeführt. Deshalb war ich bei Gerald Asamoahs Problemen mit der rechten Szene und den Kampagnen gegen ihn immer an seiner Seite und habe ihn auch rechtlich unterstützt.
Zu näheren Begegnungen mit ihm ist es dann im Vorfeld der WM 2006 gekommen. Da gab es einige Podiumsdiskussionen im Rahmen des »Fußballglobus«. Dort hab ich seine erfrischende Art, seinen Mut und seine Offenheit sehr zu schätzen gelernt. Auch weil er zeigte, dass er ein Mensch ist wie jeder andere auch, der an seiner Leistung gemessen werden will. Er wollte kritisiert werden, aber nicht mit seiner Hautfarbe als Argument.
Ich habe seine kühne Entschlossenheit bewundert, auch Ungerechtigkeiten auf dem Platz sofort zu benennen. In diesem Zusammenhang hat er den Fair-Play-Preis 2011 natürlich verdient, was auch zeigt, dass er einen tollen stolzen Charakter hat, sich als Deutscher wohlfühlt und auch als solcher wahrgenommen werden will.
Das hat er bei der WM 2006 zur Genüge unter Beweis gestellt. Ich habe ihn dort während des Sommermärchens erlebt, als ich Teil des Organisationsteams war und somit auch das Mannschaftsquartier besuchen durfte. Er war immer präsent, aufgeschlossen, gut gelaunt. Mit seiner musikalischen Ader hat er auch die Stimmung der Mannschaft geprägt. Man braucht einfach solche Spieler im Team.
Der DFB sollte unbedingt mit ihm, dem ehemaligen Nationalspieler, als Botschafter weiter gegen Rassismus kämpfen. Gerald Asamoah hat einen reichen Erfahrungsschatz, den er weitergeben
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