Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
muss diese Chance nutzen. Das sage ich auch immer zu ihm, wenn wir unsere Abenteuer erleben, und er sich mal wieder nicht traut, hübsche fremde Mädchen für uns anzusprechen. Man muss einfach jede Chance nutzen, die sich einem bietet. Wirklich jede! Man weiß nämlich nie, wann und ob sie einem ein zweites Mal begegnet.
Hätte mein Herz nur ein bisschen mehr Kraft, oh verdammt, ich würde so viel unternehmen. Bis zur Erschöpfung würde ich alles machen, worauf ich Lust hätte – wirklich ALLES. Ich käme gar nicht mehr zum Schlafen, weil es ja so unendlich viel zu entdecken gäbe. Aber das geht leider nicht. Ich habe vom lieben Gott nun mal dieses Herz bekommen und kein anderes. Er wird sich schon was dabei gedacht haben, wie Mama immer sagt, auch wenn das nur schwer zu verstehen ist, weil ich ja nie böse zu ihm war. Trotzdem versuche ich, das Beste aus meiner Situation zu machen. Es ist schwer, und ich schaffe es nicht immer, aber ich gebe mir Mühe. Ich kämpfe. Jeden Tag. Wie ein Samurai. Mehr kann ich nicht tun.
Eine Sache ist mir besonders wichtig: Sag immer, was du fühlst. Wenn du jemanden lieb hast, tief in deinem Herzen, dann sag ihm, dass du ihn lieb hast. Und zwar jetzt und nicht erst morgen, weil du morgen vielleicht nicht mehr am Leben bist. Du kannst es auch mehrmals sagen. Das macht gar nichts. Am liebsten von allen Menschen auf der ganzen Welt habe ich meine Mama. Sie ist immer für mich da. Für sie schreibe ich dieses Buch. Als Abschiedsgeschenk.
Dein Daniel
Morgens um sieben. Das erste gemeinsame Foto mit Lars.
1
»Wie lange dauert es noch?«, rief ich Ester aus dem Aufenthaltsraum zu. Ich saß ganz nervös am Tisch und nuckelte an meiner Fanta.
»Nicht mehr lange, Daniel, mein Schatz«, lächelte Ester beruhigend, die in Franzis Büro hinter dem Schreibtisch saß.
»Wie lange ist nicht mehr lange?«, wollte ich sofort wissen, weil ich mir darunter nichts vorstellen konnte.
»Gleich, mein Engel.«
»Warum ist er noch nicht da?«
»Weil er nicht fliegen kann.«
Ich darf auch nicht mehr fliegen. Mein Kinderarzt sagt, dass wegen des Drucks, der oben am Himmel herrscht, mein Herz explodieren würde. Ich weiß nicht, ob es wirklich explodieren würde, so richtig mit einem lauten Knall, oder ob es einfach nur aufhören würde zu schlagen. So oder so, ich wäre hinüber. Zuerst hat mir das nichts ausgemacht, weil ich ja nicht wegfliegen wollte, aber dann dachte ich an meine erste Heimat Südafrika, wo ich geboren wurde, und die ich nie mehr wiedersehen würde. Für einen kurzen Moment war ich damals traurig deswegen, aber dann nicht mehr, weil ich es in Deutschland ja viel schöner finde.
»Kommt er mit einem Auto?«, fragte ich.
»Mit dem Zug. Er hat auch gerade eine SMS geschickt. Er steht schon fast vor der Tür.«
»Echt? Krass.«
Ester lächelte mich an und warf mir einen Handkuss zu. Dann klingelte es. Ich dachte nur: Ach, du Scheiße!
Ich lief zu Ester ins Büro und packte ihr Bein. Sie umarmte mich kurz, aber ich hielt es nicht lange an einem Platz aus und rannte in die Küche, zurück ins Spielzimmer und blieb schließlich vor dem Kicker stehen. Sabine und Toni, die beiden Krankenschwestern, lachten schon über mich, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und begann, gegen mich selbst zu kickern. Ich war so aufgeregt, dass mir die Beine schlackerten. Dann ging die Tür auf. »Laaaaaaars«, kam es so laut aus mir heraus, dass sich alle zu mir umdrehten, aber ich konnte nicht anders und rannte einfach auf ihn zu. Und dann sprang ich direkt in seine Arme. Ich umklammerte ihn ganz fest mit meinen Beinen und Armen, drückte mich an ihn und wollte nie mehr loslassen.
»Na du?«, hörte ich ihn sagen. »Alles klar bei dir?«
Ja, bei mir war alles klar. Er war wirklich gekommen. Es war kein Traum. Ich konnte ihn richtig anfassen.
»Bleibst du jetzt für immer an mir hängen, oder meinst du, ich kann kurz meine Jacke ausziehen? Ist ganz schön warm bei euch.«
Ob warm oder kalt, alles egal. Ich wollte nur, dass dieser Moment niemals vorübergeht. Ester stand mit den anderen vor ihrem Büro, um ihn zu begrüßen, und ich ließ Lars dann doch seine Jacke ausziehen. Er trug eine coole schwarze Lederjacke. So eine wollte ich auch haben.
»Gib sie mir«, sagte ich. »Ich hänge sie neben meine Jacke. Deine Schuhe musst du auch ausziehen. Du kannst sie im Schrank neben meine stellen.«
»Perfekt«, sagte er nur zu mir und zwinkerte mit einem Auge. Dann umarmte er
Weitere Kostenlose Bücher