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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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dazwischen, und die anderen Schüler lachten über mich. Ich wurde traurig und konnte mich nicht mehr konzentrieren und fing an, noch mehr zu stottern, bis ich schließlich gar kein Wort mehr rauskriegte.
    Wortlos ging ich an Alexej vorbei, hängte meine Jacke an den Kleiderhaken im Vorraum und schob die Sauerstofftasche an ihren festen Platz unter das Regal mit den Bunt- und Filzstiften. Dann setzte ich mich ans Fenster und hoffte, dass dieser Schultag schnell zu Ende ging und ich endlich ins Hospiz durfte.

    Der Grund, warum ich an vier Tagen in der Woche ins Hospiz gehe, ist derselbe, warum ich den Ärzten und Krankenschwestern erlaube, mir Spritzen in die Arme zu jagen: Ich will meine Mama glücklich machen. Es gibt nämlich nur eins auf der Welt, das beschissener ist, als mit fünfzehn an Herzversagen zu sterben, und das ist, ein fünfzehnjähriges Kind zu haben, dem das Herz versagt. Ich mache das alles nur noch wegen Mama. Es klappt nicht immer, aber ich gebe mir Mühe. Noch schlimmer als die Schmerzen sind nämlich die vielen Tränen, die sie jeden Abend heimlich wegen mir vergießt. Sie denkt zwar, ich sehe das nicht, aber ich bin ja nicht blind. Ich sehe und höre alles, was in unserer Wohnung passiert. Auch die lustigen Sachen. Manchmal werde ich nachts wach und höre Mama stöhnen. Dann haben meine Eltern Sex. »Na, hat’s Spaß gemacht?«, grinse ich am nächsten Morgen. Zuerst tut Mama immer so, als wüsste sie nicht, wovon ich spreche, aber dann kann sie sich ihr Lachen doch nicht verkneifen und sagt: »Und wie!« Ich drehe mich dann schnell um und halte mir die Ohren zu, weil mir das peinlich ist. Ich finde das so eklig und will mir das gar nicht so genau vorstellen. Bäh! Wenn normale Paare Sex haben, ist das ja in Ordnung, aber doch nicht die eigenen Eltern! Eines Tages will ich das auch machen. Ich habe schon ein Kondom in meinem Zimmer versteckt. Es liegt in der Kommode, in der zweiten Schublade von oben, in der braunen Box, wo ich meine Walt-Disney-Sammelbilder aufbewahre. Dort findet es Mama nie. Auf der Verpackung steht, dass es noch bis 2015 haltbar ist. Ich muss mich also nicht beeilen. Einmal, als wir alle vor dem Fernseher saßen, habe ich gesagt, dass ich auch gerne mal »ficken« würde. Da hat Mama laut gelacht und gesagt, dass meine Salami dafür noch viel zu klein sei. Leider kann ich niemanden fragen, ob das stimmt, deswegen muss ich es eines Tages einfach selbst herausfinden.
    Wenn ich also im Hospiz bin, kann Mama während dieser Zeit in Ruhe arbeiten gehen. Sie muss ja auch für uns Geld verdienen. Nicht nur Papa. Und weil ich niemals alleine sein darf, holen mich dann zwei Leute aus dem Hospiz mit ihrem Krankentransporter von der Schule ab und bringen mich zwischen 18 und 19 Uhr wieder nach Hause. Es ist eigentlich ganz schön dort. Ich kann spielen und zu Rewe gehen, doch hätte ich eine Wahl, wäre ich lieber gesund. Aber es ist schon okay. Ich weiß, dass man sich sein Leben nicht aussuchen kann. Mama sagt immer: Alles kommt, wie es kommt.

    Lars gab mir seinen Schal, sein Handy und seinen Geldbeutel, und ich verstaute es neben meinen Sachen. Dann fiel mir sein Koffer auf, und ich wurde böse. Er war erst fünf Minuten hier und hatte schon gegen die Hospizregeln verstoßen. Ich wollte ihm sofort die Meinung sagen, aber dann überlegte ich, dass er es ja nicht wissen konnte. Ich atmete tief ein und aus und beruhigte mich wieder. Lars hatte seinen Koffer direkt neben der großen Trauerkerze abgestellt, was verboten war. Die Flamme wurde zwar durch eine Glaskuppel geschützt, wenn aber sein Koffer umgefallen wäre, hätte er richtig Ärger bekommen. Hauptsächlich von mir. Wir hatten die Kerze für Maike angezündet, die kurz zuvor gestorben war. Die Kerze ist ein Symbol dafür, dass wir sie nicht vergessen und immer noch lieb haben, auch wenn sie jetzt nicht mehr bei uns auf der Erde sein konnte. Auf ihrer Beerdigung haben alle geweint. Ich nicht. Ich weine nicht mehr. Okay, wenn ich richtig viel Angst habe, dann schon, aber das sind andere Tränen. Man kann ja auch vor Glück weinen oder beim Zwiebelschälen. Aber weint man als Kind auf einer Beerdigung, dann machen sich die Erwachsenen gleich unendlich viele Sorgen und fangen selbst an zu weinen, und das möchte ich nicht. Man kann auch ohne sichtbare Tränen weinen. Mir ist das lieber. Maike wurde nur zwei Jahre alt. Ich denke oft an sie, vor allem, wenn es regnet. Dann frage ich mich, ob es ihr im Himmel besser geht? Ganz

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