DIESES MAL IST ALLES ANDERS
werden. Eine der Lektionen der 1980er- und 1990er-Jahre lautet, dass Länder mit starren oder »stark gesteuerten« Wechselkursregimen für plötzliche Vertrauenskrisen anfällig sind. Spekulative Angriffe auf starre Wechselkurse können scheinbar stabile, langjährige Regime über Nacht zerstören. In Zeiten des erfolgreichen Fix kann man stets den Satz »Dieses Mal ist alles anders« hören. Doch urplötzlich – wie in Argentinien im Dezember 2001 geschehen – löst sich das Vertrauen in einer Rauchwolke auf. Hier besteht jedoch eine grundlegende Verknüpfung mit den Staatsschulden. Wie Krugman bekanntermaßen aufgezeigt hat, haben Wechselkurskrisen ihren Ursprung oft in der mangelnden Bereitschaft einer Regierung, Geld- und Fiskalstrategien umzusetzen, die im Einklang mit der Wahrung starrer Wechselkurse stehen. 4 Wenn Spekulanten erkennen, dass der Regierung die nötigen Ressourcen ausgehen, um ihre Währung zu stützen, dann werden sie in Erwartung eines Währungszusammenbruchs schleunigst aus dieser Währung aussteigen. Staatsschulden müssen keineswegs immer explizit sein: Implizite Regierungsgarantien haben im Zentrum vieler Krisen gestanden.
Gewiss stehen den Ländern andere Wege zur Reduzierung ihrer Verwundbarkeit für Vertrauenskrisen offen als die Eindämmung ihrer Verschuldung und einen zurückhaltenderen Einsatz von Hebeln. Die Wirtschaftstheorie legt nahe, dass hier eine größere Transparenz hilfreich sein kann. Wie der Leser später sehen wird, neigen Regierungen in Bezug auf ihre Verschuldung zu einer ausgesprochenen Intransparenz. Und wie die jüngste Finanzkrise zeigt, verhalten sich private Schuldner kaum besser, es sei denn, die Gesetze zwingen sie zu mehr Transparenz. Tatsächlich sehen viele Wissenschaftler in Großbritanniens Einrichtung übergeordneter Institutionen, welche die Zuverlässigkeit von Kreditrückzahlungen garantieren sollen, einen Schlüssel für seine Militär- und Entwicklungserfolge im 18. und 19. Jahrhundert. 5 Doch selbst gute Institutionen und ein ausgeklügeltes Finanzsystem können ins Schlingern geraten, wenn sie entsprechenden Belastungen ausgesetzt sind, wie die USA in der jüngsten Krise so leidvoll erfahren mussten.
Und schließlich ist da die Frage, warum Finanzkrisen oft so schmerzhaft sind – ein Thema, mit dem wir uns hauptsächlich in der Einleitung zu Kapitel 10 über Bankenkrisen beschäftigen. Kurz gesagt, sind die meisten Ökonomien – auch relative arme – auf den Finanzsektor angewiesen, um die Geldströme von Sparern (typischerweise Verbraucher) in für die Wirtschaft wichtige Investitionsprojekte zu lenken. Wenn eine Krise das Bankensystem lähmt, ist es für eine Ökonomie sehr schwer, seine normale Wirtschaftsaktivität aufrechtzuerhalten. Ben Bernanke bezeichnete den Kollaps des Bankensystems bekanntermaßen als einen wichtigen Grund dafür, dass die Große Depression der 1930er-Jahre so gravierend war und so lange anhielt. Finanzkrisen, vor allem solche, die umfangreich und schwer zu bewältigen sind, können daher erhebliche Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben. Wie im Fall der multiplen Gleichgewichte und der Finanzfragilität existiert auch zu diesem Thema eine umfangreiche Wirtschaftsliteratur. 6 Die enge Verbindung zwischen Finanzmärkten und Realwirtschaft, insbesondere bei einem Versagen der Finanzmärkte, hat so viele der in diesem Buch untersuchten Krisen zu einem wahrhaft spektakulären historischen Ereignis gemacht. Denken Sie im Gegensatz dazu an das Platzen der Hightech-Blase im Jahr 2001. Zwar brachen Kurse von Technologieaktien nach einem zunächst schwindelerregenden Anstieg völlig zusammen, doch der Effekt auf die Realwirtschaft bestand lediglich in einer relativ milden Rezession im Jahr 2001. Blasen sind weitaus gefährlicher, wenn sie von Schulden genährt werden, wie es Anfang des 21. Jahrhunderts bei der Explosion der globalen Immobilienpreise der Fall war.
Auf jeden Fall wird die Zweite Große Wirtschaftskontraktion, wie wir die jüngste Finanzkrise bezeichnen, die beinahe jede Region der Erde erfasst hat, beträchtliche Auswirkungen auf die Wirtschaftswissenschaften haben, vor allem auf die Untersuchung der Verknüpfungen zwischen Finanzmärkten und Realwirtschaft. 7 Wir hoffen, dass einige der in diesem Buch vorgestellten Fakten dazu beitragen werden, die Probleme zu formulieren, welche die neuen Theorien erklären müssen, und zwar nicht nur für die jüngste Krise, sondern für eine Vielzahl von Krisen, die
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