DIESES MAL IST ALLES ANDERS
Wirtschaftsbooms den Anschein hat. Wenn Regierungen Geld in die Märkte pumpen, können sie den Anschein erwecken, als sorgten sie für ein größeres Wachstum, als es wirklich der Fall ist. Eine exzessive Verschuldung des Privatsektors kann Immobilien- und Aktienkurse weit über ihre langfristig nachhaltige Bewertung aufblähen und Banken stabiler und profitabler erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind. Eine derartige Schuldenanhäufung stellt ein Risiko dar, weil sie eine Ökonomie für Vertrauenskrisen anfällig macht, insbesondere wenn es sich um Kredite mit kurzen Laufzeiten handelt, die ständig refinanziert werden müssen. Schuldenfinanzierte Booms erscheinen fälschlicherweise oft als Bestätigung für die Richtigkeit der Regierungspolitik, der Gewinnerzielungsstrategie von Finanzinstituten oder gaukeln einen Lebensstandard eines Landes vor, dem in Wirklichkeit die Basis fehlt. Die meisten Booms enden in einem bösen Erwachen. Selbstverständlich sind Schuldeninstrumente für alle Ökonomien – sehr alte und moderne – von zentraler Bedeutung. Die Ausbalancierung der Risiken und Chancen einer Verschuldung ist jedoch immer eine Herausforderung, die politische Entscheidungsträger, Investoren und Normalbürger niemals unterschätzen dürfen.
In diesem Buch untersuchen wir unterschiedliche Arten von Finanzkrisen. Dazu gehören Staatsschuldenkrisen, die eintreten, wenn Regierungen ihre Inlands- oder Auslandsschuldenverpflichtungen nicht erfüllen – oder beides. Daneben existieren die Bankenkrisen, wie sie die Welt in den letzten Jahren zuhauf erlebt hat. In einer typischen großen Bankenkrise gerät ein erheblicher Teil des Bankensektors eines Landes nach heftigen Investmentverlusten, Bankpaniken oder beidem in die Insolvenz. Eine weitere wichtige Krisenkategorie sind Wechselkurskrisen wie diejenigen, die Asien, Europa und Lateinamerika in den 1990er-Jahren heimsuchten. Bei einer Wechselkurskrise verfällt der Wert der Währung eines Landes in schwindelerregendem Tempo – und das oft trotz der »Garantie« der Regierung, sie werde dies unter keinen Umständen zulassen.
Weiterhin betrachten wir Perioden der Hoch- und Hyperinflation als Krisen. Es erübrigt sich die Erwähnung, dass ein unerwarteter Inflationsanstieg de facto dasselbe ist wie ein echter Zahlungsausfall, da die Inflation allen Schuldnern (einschließlich der Regierung) ermöglicht, ihre Schulden in der Währung zurückzuzahlen, die nun weitaus weniger Kaufkraft besitzt als zur Zeit der Kreditaufnahme. In diesem Buch werden wir diese Krisen größtenteils gesondert untersuchen. Krisen treten jedoch oft in Gruppen auf. Im vorletzten Kapitel des Buches werden wir Situationen – wie zum Beispiel die Große Depression der 1930er-Jahre und die jüngste weltweite Finanzkrise – betrachten, in denen Krisen gruppenweise und auf globaler Ebene auftraten.
Selbstverständlich sind Krisen kein neues Phänomen. Seit der Erfindung des Geldes und der Finanzmärkte hat es Krisen gegeben. Zahlreiche der frühesten Krisen wurden von Währungsabwertungen getrieben, indem der Monarch eines Landes den Gold- oder Silbergehalt der Münzen reduzierte, um sich aus Finanznöten zu befreien, für die nicht selten Kriege verantwortlich waren. Technologische Fortschritte haben dafür gesorgt, dass Regierungen zum Ausgleich eines Etatdefizits nicht mehr den Edelmetallgehalt ihrer Münzen verringern müssen. Finanzkrisen haben sich jedoch über alle Jahrhunderte hinweg stets wiederholt und plagen Länder bis zum heutigen Tag.
Ein Schwerpunkt unseres Buches liegt auf zwei besonderen Formen der Krise, die heute besonders relevant sind: Staatsschuldenkrisen und Bankenkrisen. Die Geschichte beider Krisenarten erstreckt sich über viele Jahrhunderte und Regionen. Staatsschuldenkrisen waren unter den heute entwickelten Ökonomien, die aus regelmäßig wiederkehrenden Perioden der Zahlungsunfähigkeit herausgewachsen zu sein scheinen, einst weit verbreitet. In den Schwellen- und Transformationsländern sind wiederkehrende (oder gehäufte) Zahlungsausfälle nach wie vor eine chronische und ernsthafte Krankheit. Bankenkrisen bleiben dagegen überall ein Problem. Sie stellen eine Bedrohung der »Chancengleichheit« dar, da sie arme und reiche Länder gleichermaßen betreffen. Die Untersuchung der Bankenkrisen führt uns auf eine Reise von Bankruns und Bankzusammenbrüchen in Europa während der Napoleonischen Kriege bis zur jüngsten globalen Finanzkrise, die im Jahr 2007
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