DIESES MAL IST ALLES ANDERS
ist, ist die Art und Weise, wie es Frankreich allmählich gelang, sich von dem Status als wiederholter säumiger Schuldner zu befreien und weitere Zahlungsausfälle zu vermeiden.
Zwei Jahrhunderte nachdem England unter Edward III. die Rückzahlung seiner Auslandsschulden verweigert hatte, nahm König Heinrich VIII. eine Währungsabwertung gewaltigen Ausmaßes vor, womit er effektiv einen Zahlungsausfall in Bezug auf alle Inlandsschulden der Krone herbeiführte. Darüber hinaus beschlagnahmte er die ausgedehnten Ländereien der katholischen Kirche. Auch wenn es sich dabei streng genommen um keine Zahlungsausfälle auf Anleihen handelte, kamen solche Enteignungen, die oft von Hinrichtungen begleitet waren, der Weigerung des Staates gleich, seine Schuldenverpflichtungen zu erfüllen.
Kapitalzuflüsse und Zahlungsausfälle: eine Geschichte der »Alten Welt«
Abbildung 6.1 Spanien: Kredite an die Krone und Zahlungsausfälle, 1601–1679 (bewegliche Summe über einen Dreijahreszeitraum)
Quellen: Gelabert (1999a, 1999b), European State Finance Database (Bonney o.J.).
Anmerkung: Die Zahlungsausfälle in den Jahren 1607, 1627 und 1647 werden von den vertikalen Linien angezeigt.
Abbildung 6.1 zeigt auf beeindruckende Weise die Entwicklung des Kapitalflusszyklusses, der auf dem Spanien des 17. Jahrhunderts basiert. Die Abbildung illustriert, dass Zahlungsausfälle bei Auslandsschulden oft auf einen massiven Anstieg der Kapitalzuflüsse folgen (die häufig während der Euphorie ins Land strömen, die von dem Gefühl begleitet ist, dass »dieses Mal alles anders ist«).
Auslandsschuldenkrisen souveräner Staaten nach 1800: ein globales Bild
Mit Beginn des 19. Jahrhunderts führte die Kombination aus der Entwicklung internationaler Kapitalmärkte und der Entstehung einer Reihe neuer unabhängiger Staaten zu einer Explosion der internationalen Zahlungsausfälle.
Tabelle 6.2 führt die Zahlungsausfälle und Umschuldungen in Afrika, Europa und Lateinamerika während des 19. Jahrhunderts auf. In Kapitel 4 haben wir bereits erklärt, warum Umschuldungen aus theoretischer Perspektive effektiv ausgehandelte partielle Zahlungsausfälle sind. Dieses Thema ist von so grundlegender Bedeutung, dass wir uns verpflichtet fühlen, uns ausführlicher damit zu beschäftigen und insbesondere deutlich zu machen, warum Umschuldungen auch aus praktischer Perspektive als echte Zahlungsausfälle zu betrachten sind.
Experten betrachten Umschuldungen zu Recht als partielle Zahlungsausfälle, und zwar im Wesentlichen aus den folgenden zwei Gründen: Erstens ist mit einer Umschuldung oft eine Senkung der Zinsen verbunden, wenn nicht sogar der eigentlichen Schuldensumme. Zweitens, und vielleicht noch wichtiger, bürden Umschuldungen Investoren oft illiquide Vermögenswerte auf, die möglicherweise über Jahrzehnte keine Rendite erwirtschaften. Diese Illiquidität bedeutet für Investoren hohe Kosten, weil sie dadurch gezwungen sind, an riskanten Vermögenswerten festzuhalten, für die sie oft nur einen Ausgleich erhalten, der weit unter dem Marktpreis für ein solches Risiko liegt. Allerdings stimmt es, dass Investoren, die lange genug – manchmal über Jahrzehnte – an notleidenden Kreditschulden souveräner Staaten festgehalten haben, am Ende eine ähnliche Rendite erzielen konnten, wie sie auf relativ risikofreie Anleihen der großen internationalen Finanzzentren (Großbritannien oder später die USA) über die gleiche Laufzeit gezahlt werden. Über diese Berechnungen wurde übrigens eine Reihe von Beiträgen veröffentlicht. 7
TABELLE 6.2
Auslandsschuldenkrisen und Umschuldung: Afrika, Europa und Lateinamerika im 19. Jahrhundert
Land; Jahr, in dem es seine Unabhängigkeit erlangte a
Jahre, in denen sich Zahlungsausfälle ereigneten undUmschuldungen vereinbart wurden
1800–1824
1825–1849
1850–1874
1875–1900
Afrika
Ägypten, 1831
1876
Tunesien
1867
Europa
Deutschland
Hessen
Preußen
Schleswig-Holstein
Westfalen
1814
1807,1813
1812
1850
Frankreich
1812
Griechenland, 1829
1826, 1843
1860
1893
Niederlande
1814
Österreich-Ungarn
1802, 1805, 1811, 1816
1868
Portugal
1828, 1837, 1841, 1845
1852
1890
Russland
1839
Schweden
1812
Spanien
1809, 1820
1831, 1834
1851, 1867, 1872
1882
Türkei
1876
Lateinamerika
Argentinien, 1816
1827
1890
Bolivien, 1825
1875
Brasilien, 1822
1898
Chile, 1818
1826
1880
Costa Rica, 1821
1828
1874
1895
Dominikanische Republik, 1821
1872
1892, 1897, 1899
Ecuador, 1830
1826
1868
1894
El
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