DIESES MAL IST ALLES ANDERS
Währungsabwertung über lange Zeiträume wieder, die oft 50 Prozent und mehr beträgt. Tabelle 11.2 liefert die Statistik für europäische Länder im 19. Jahrhundert; zu den Sonderfällen gehören Russlands Währungsabwertung um 41 Prozent im Jahr 1810 und Österreichs Währungsabwertung um 55 Prozent im Jahr 1812, die beide im Zusammenhang mit den von den Napoleonischen Kriegen ausgelösten wirtschaftlichen Belastungen standen. Im Jahr 1829 verringerte die Türkei den Silbergehalt ihrer Münzen um 51 Prozent.
Das Muster der anhaltenden Wertminderung wird in Abbildung 11.1 deutlich, die den Silbergehalt eines gleich gewichteten Durchschnitts der europäischen Währungen in unserer frühen Stichprobe (plus Russland und die Türkei) abbildet. Abbildung 11.2 zeigt das, was wir als den »Vormarsch des Papiergeldes« bezeichnen, und illustriert, dass sich die moderne Inflation nicht so wesentlich von der Währungsabwertung vergangener Zeiten unterscheidet, wie manche glauben mögen. (Der Leser wird sich daran erinnern, dass Papiergeld – Fiatgeld – eine Währung ohne intrinsischen Wert ist und überwiegend deswegen nachgefragt wird, weil sie das einzige gesetzlich zugelassene Zahlungsmittel für Inlandstransaktionen ist.)
Vielleicht mag es angesichts des Umstands, dass Finanzkrisen seit Langem immer schwerwiegender und komplizierter werden, übertrieben erscheinen, der Währungsabwertung so viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die Erfahrung der Währungsabwertung macht allerdings zahlreiche wichtige Punkte deutlich. Zum einen zeigt sie, dass Inflation und Zahlungsausfälle keine neuen Phänomene sind; nur die Instrumente haben sich verändert. Noch wichtiger allerdings ist die Tatsache, dass der Übergang von Metall- zu Papiergeld ein bedeutendes Beispiel dafür liefert, dass technologische Innovationen nicht unbedingt völlig neuartige Finanzkrisen erzeugen, sondern vielmehr deren Effekte verstärken können, so wie neue Technologien in der Kriegsführung im Lauf der Geschichte die Zahl der Toten erhöht haben. Und schließlich bekräftigt unsere Studie die These, dass die heute entwickelten Länder früher die gleichen Schulden-, Inflations- und Abwertungstraumata erlebt haben wie die heutigen Schwellen- und Transformationsländer.
Abbildung 11.1 Veränderung des Silbergehalts der Währung, 1765–1815: Österreich und Russland während der Napoleonischen Kriege
Quellen: Hauptsächlich Allen und Unger (2004) und weitere in Anhang A.1.3 genannte Quellen.
Abbildung 11.2 Der Vormarsch des Papiergeldes, Europa, 1400–1850: der durchschnittliche Silbergehalt von zehn Währungen
Quellen: Hauptsächlich Allen und Unger (2004) sowie weitere in Anhang A.1.3 genannte Quellen.
Anmerkungen: In den Fällen, in denen in einem Land mehr als eine Währung im Umlauf war (in Spanien wurde in Neukastilien zum Beispiel der Maravedí verwendet und in Valencia der Dinar), berechnen wir den einfachen Durchschnitt. Denken Sie daran, dass die Napoleonischen Kriege von 1799 bis 1815 dauerten. Österreich wertete seine Währung um 55 Prozent ab.
Inflation und Währungszusammenbrüche in der heutigen Zeit
Wenn gehäufte Zahlungsausfälle für ein Land, das sich in der Entwicklungsphase einer aufstrebenden Ökonomie befindet, die Norm sind, dann ist die Tendenz, wiederholte Hoch- und Hyperinflationsphasen zu durchlaufen, ein noch auffälligerer gemeinsamer Nenner. 1 Keiner aufstrebenden Ökonomie in der Geschichte – einschließlich den USA (deren Inflationsrate im Jahr 1779 fast 200 Prozent betrug) – ist es gelungen, Hochinflationsphasen zu entkommen.
Natürlich stehen die Probleme der Auslandsschuldenkrisen, Inlandsschuldenkrisen und Inflation allesamt eng miteinander in Verbindung. Von einer Regierung, die sich entscheidet, ihre Schulden nicht zurückzuzahlen, kann man kaum zuverlässig annehmen, dass sie den Wert der Landeswährung erhält. Geldschöpfung und die Zinskosten der Schulden tragen zu Etatengpässen bei, und in einer Finanzierungskrise wird ein Staat typischerweise alle Quellen anzapfen.
In diesem Kapitel beginnen wir (sozusagen) mit einem Helikopterüberblick über unseren gesamten länderübergreifenden Datensatz, der unseres Wissens nach erheblich mehr Episoden der Hochinflation und ein breiteres Länderspektrum abdeckt als jeder bisher verwendete Datensatz. Anschließend betrachten wir die Wechselkurszusammenbrüche, die ausgesprochen stark mit Hochinflationsphasen korrelieren. In den meisten Fällen sind eine
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