Diesseits vom Paradies
älteren Mannes. Schon in meinen jungen Jahren glaubte ich an Princeton und an seine Möglichkeiten, starke, tugendhafte Männer zu formen. Es wäre furchtbar für mich, wenn ich denken müsste, dass wir nichts zu bieten haben als überlebte Symbole und leere Hülsen einer Vergangenheit, deren Wirklichkeit längst entschwunden ist.«
Fitzgerald antwortete am 3. Juni mit ausgesuchter Höflichkeit und sagte, das Buch sei geschrieben worden mit der Bitterkeit seiner Erkenntnis, dass er mehrere Jahre lang versucht habe, sich in ein Curriculum zu fügen, das am Ende für den durchschnittlichen Studenten gemacht sei, nicht aber für einen wie ihn. Er sei namentlich am Fach Chemie gescheitert, obwohl er alle Einschränkungen in Kauf genommen habe, um sein Diplom zu erringen. Für die, die am Ende die Schule bestünden, erscheine Princeton gewiss als die glücklichste Zeit ihres Leben – nicht aber für die, die nicht bestanden hätten.
»Meine Sicht auf das Leben, Präsident Hibben«, fährt Fitzgerald fort, »ist jene der Theodore Dreisers und Joseph Conrads – dass das Leben zu stark und gnadenlos ist für die Söhne… Ich muss jedoch zugeben, dass Diesseits vom Paradies die Fröhlichkeit und Countryclub-Atmosphäre [429] Princetons überbetont. Um der Leser willen wurde dieser Teil zu stark gewichtet, und da der Held nicht durchschnittlich ist, reagierte er wohl unangemessen auf etliche völlig normale Phänomene. In diesem Sinn ist das Buch ungenau. Es zeichnet das Princeton einer Samstagnacht im Mai.«
Am 3. April, eine Woche nach der Publikation von »This Side of Paradise«, heirateten F. Scott Fitzgerald und Zelda in der St. Patricks Cathedral in New York. Es gab weder ein Hochzeitsessen noch ein Fest; die »Flitterwochen« führten ins Biltmore Hotel an der Ecke 43. Straße/Vanderbilt Avenue. Die Veröffentlichung des Romans und die Hochzeit fielen praktisch zusammen mit dem Beginn der Roaring Twenties. Scott und Zelda wurden zu einem der Glamour-Paare des Jazz Age. Sie ruinierten im wilden Partyleben sich selbst und einander, sie hielten es zusammen so wenig aus wie allein. »Wir haben uns nie gelangweilt, weil wir nie langweilig waren«, schrieb Zelda einmal.
Fitzgerald war der Propagandist der Ära, ein Gegenstand des aufkommenden Jugendkults, und gleichzeitig ihr Symbol. Er repräsentierte sie mit all ihren Exzessen – und wurde so nicht nur zu ihrem Inbegriff, sondern auch zu ihrem abgründigen Zerrbild. »Es war eine Zeit der Wunder, eine Zeit der Kunst, eine Zeit des Exzesses und eine Zeit der Satire«, schrieb er 1931. Amerika war aus dem Ersten Weltkrieg als die mächtigste Nation hervorgegangen, Schriftsteller wie Faulkner, Hemingway, Dos Passos, Lewis und Wolfe betraten die literarische Bühne; neben ihnen wirkten mächtige Figuren wie George Gershwin, Bessie Smith, Louis Armstrong, Rudolph Valentino, Charlie Chaplin, Al Capone und Charles Lindbergh. Es war die Zeit der [430] boomenden Städte, der schnellen Vermögen, die Zeit, in der alles möglich war – Prohibition hin oder her.
Die ersten Monate der Fitzgeralds in New York waren aufregend. Der 23-jährige Autor und seine 19-jährige Frau waren Berühmtheiten – jung, hübsch, unabhängig und zumindest scheinbar reich. Sie gaben Interviews und wurden von einer Party zur nächsten gereicht. 1932 sollte Fitzgerald über diese Tage schreiben: »Ich erinnere mich, dass ich eines Nachmittags im Taxi fuhr, zwischen sehr hohen Gebäuden, unter einem malven- und rosafarbenen Himmel; und ich begann zu schreien, weil ich alles hatte, was ich wollte, und wusste, dass ich nie mehr so glücklich sein würde.«
Manfred Papst
Foto: Archiv Diogenes Verlag
F. SCOTT FITZGERALD, 1896 in St. Paul (Minnesota) geboren, hatte nach den Studienjahren in Princeton mit 24 Jahren sein Ziel erreicht: Sein erster Roman Diesseits vom Paradies machte ihn auf einen Schlag berühmt und reich, mit seiner Frau Zelda stand Fitzgerald im Mittelpunkt von Glanz und Glimmer. Alles endete im schrecklichen Kater der Wirtschaftskrise. Alkohol, Zank und Geldprobleme zerstörten die Ehe mit Zelda. Um Geld zu verdienen, ging Fitzgerald 1937 als Drehbuchautor nach Hollywood, wo er 1940 starb.
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