Diesseits vom Paradies
ersten Kapitel des geplanten Buchs und zeigte sie seinem Mentor Christian Gauss. Der erinnerte sich später an ein wildes Durcheinander von Versen, satirischen Passagen und Anekdoten. Fitzgerald drängte Gauss, den Roman jenem renommierten Verlag zu empfehlen, in dem er selbst publizierte: Charles Scribner’s Sons. Das lehnte Gauss ab, doch ermutigte er Fitzgerald, mit der literarischen Arbeit fortzufahren.
Am 26. Oktober 1917 wurde Fitzgerald in die Armee aufgenommen, und Ende November kam er in ein Ausbildungslager in Fort Leavenworth, Kansas. Dort arbeitete er heimlich weiter an seinem Roman. Im Herbst 1920 schrieb er über diese Zeit, er habe damals jeden Abend sein Notizbuch hinter den Small Problems for Infantry versteckt und nach einem Plan, der 22 Kapitel vorsah, an seinem Text gearbeitet; schon nach zwei Kapiteln sei er jedoch ertappt worden, und mit dem Dichten im Dienst sei es vorbei gewesen. Selbstironisch fährt er fort: »Ich hatte nur noch drei Monate zu leben – damals dachten alle Infanterieoffiziere, sie hätten nur noch drei Monate zu leben –, und ich hatte kein Zeichen in der Welt hinterlassen. Aber solch ein verzehrender Ehrgeiz konnte durch einen bloßen Krieg nicht zunichte gemacht werden. Jeden Samstag um eins, wenn der Wochendienst zu Ende war, eilte ich in den Offiziersclub, und dort, in der Ecke eines von Rauch, Unterhaltungen und raschelnden Zeitungen erfüllten Raums, schrieb ich an den [413] Wochenenden der nächsten drei Monate einen Roman von hundertzwanzigtausend Wörtern. Für eine Überarbeitung blieb keine Zeit. Sobald ein Kapitel fertig war, schickte ich es einer Schreibkraft in Princeton zum Abtippen. […] Der Drill, die Märsche und die Small Problems for Infantry waren nur noch ein schattenhafter Traum. Mein ganzes Herz gehörte dem Buch.« Bruchstücke des Romantic Egotist in diesem Stadium, die sich erhalten haben, sind in der Ichform erzählt, und ihr Held heißt Stephen Palms. Er hat eine prep school an der Ostküste besucht und in Princeton studiert; nun absolviert er eine Ausbildung als Militärpilot.
Im Februar 1918 hatte Fitzgerald eine erste Fassung des Romans beendet. Auch die Ausbildung in Fort Leavenworth war zu Ende, und bevor er zu seinem Regiment in Kentucky stieß, hielt er sich einige Tage im Cottage Club auf, den er während seiner Zeit in Princeton oft besucht hatte. Dort überarbeitete er den Text. Anfang März kam er auf dem Weg nach Kentucky in Washington D.C. vorbei und deponierte das Typoskript bei einem befreundeten Schriftsteller, dem anglo-irischen Romancier Shane Leslie, den er 1912 in der Newman School in Hackensack kennengelernt hatte. Die beiden waren durch den katholischen Priester Monsignore Sigourney Fay, der uns als Monsignore Thayer Darcy in Diesseits vom Paradies begegnet, miteinander bekannt gemacht worden. Fitzgerald scheint es sich in den Kopf gesetzt zu haben, bei Scribner’s und nirgendwo sonst veröffentlicht zu werden. Gauss, Leslie und der mit ihnen ebenfalls flüchtig bekannte Henry Adams publizierten alle dort. Außerdem hatte der Verlag, wie West betont, eine Verbindung zu Princeton: Er war 1846 in New York von einem [414] Princeton-Absolventen gegründet worden, und fast alle seine Angestellten waren Princetonianer. Deshalb bat Fitzgerald Leslie, The Romantic Egotist beim Verlag zu empfehlen, was dieser mit einem Brief an Charles Scribner auch tat. Bemerkenswert an diesem Brief ist neben der Bemerkung, dass der Roman ein lebendiges Bild der jungen amerikanischen Generation gebe, die es zum Krieg dränge, der folgende Satz: »Obwohl Scott Fitzgerald noch am Leben ist, hat das Buch einen literarischen Wert. Wenn er getötet wird, bekommt es natürlich auch einen kommerziellen Wert.«
Mit einiger Verzögerung wurde Fitzgeralds Roman bei Scribner’s tatsächlich gelesen. Aus heutiger Warte erstaunlich, ja kaum mehr vorstellbar ist, welche Mühe man dort auf das unverlangt eingesandte Manuskript eines Debütanten verwandte. Es wurde von nicht weniger als drei Lektoren geprüft und diskutiert. Sie kamen zu keiner einhelligen Meinung. Edward L. Burlingame und William C. Brownell, zwei erfahrene Männer, waren skeptisch, Maxwell Perkins, der jüngste Lektor und der einzige Harvard-Absolvent, brach dagegen eine Lanze für das Buch. Er konnte seine beiden Kollegen zwar nicht vollends umstimmen, aber er erwirkte immerhin, dass Fitzgerald eine zweite Chance bekam. Das Manuskript wurde nicht platterdings abgelehnt, sondern nur zur
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