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Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Titel: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Kathrin / Lobo Passig
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2000 schaffte ich es nicht, diese zu entfernen, geschweige denn durch etwas Schmückenderes zu ersetzen. Januar 2001 zog ich um. Manchmal gehe ich an der alten Wohnung vorbei, die Vorhänge und Gardinen sind immer noch da. Möglicherweise handelt es sich um Prokrastinationserzeuger.»
    Da sie je nach Situation und Fragestellung zwanzig bis fünfundneunzig Prozent der Bevölkerung betrifft, ist Prokrastination wohl kein Ausnahmezustand, sondern der Normalfall. Soll man sie überhaupt als problematisch betrachten – und wenn ja, ab wann? Wo liegt die Grenze, ab der der sympathische Trödler zum Problem für sich und andere wird? Kann man kurzerhand die oberen fünf oder zehn Prozent der in der jeweiligen Studie gefundenen Prokrastinierer für krank erklären? Das wäre ziemlich willkürlich; nichts gegen Willkür, aber allzu einfach sollte man den Psychotherapeuten das Geldverdienen nicht machen. Die Studentenberaterinnen Jane Burka und Lenora Yuen stellen fest: «Prokrastination, in der man sich gemütlich eingerichtet hat, unterscheidet sich von problematischer Prokrastination darin, wie
belastend
man das eigene Aufschiebeverhalten wahrnimmt.» Allerdings taugt auch Leidensdruck als Abgrenzungskriterium nur bedingt, weil er oft genug durch dubiose Ansichten der Mitmenschen erzeugt wird: Wer als Homosexueller im Iran lebt, leidet zwar vermutlich, ist aber trotzdem kein Fall für den Psychiater.
    Der Psychologe und Studentenberater Norman Milgram (nein, nicht der mit dem Milgram-Experiment) zieht die Grenze dort, wo Chancen vertan werden: «Wenn wir prokrastinieren, verschwenden wir Zeit, verpassen Gelegenheiten und leben kein authentisches Leben.» Das Verschwenden von Zeit gilt aber zum Glück bisher noch nichtals Anzeichen für Therapiebedarf, genauso wenig wie das Führen eines inauthentischen Lebens, und zumindest in Erstweltländern sind die meisten Menschen von Chancen derart umstellt, dass man zwangsläufig für jede Gelegenheit, die man ergreift, achtzehn andere verpasst. Der Prokrastinationsforscher Clarry H.   Lay, ebenfalls Psychologe und Studentenberater, schlägt als Maßstab für Erfolg im Leben die «zeitnahe Umsetzung von Plänen» vor: Wenn immer wieder große zeitliche Lücken zwischen Plänen und ihrer Verwirklichung klafften, sei das kein gutes Zeichen. Auch dieses Symptom ist derart häufig, dass es sich wohl eher nicht zur Identifikation von Problemfällen eignet. In anderen Worten: Selbst extreme Formen der Prokrastination sind ziemlich normal, wenn man mit «normal» das bezeichnen will, was einige Millionen andere Menschen auch tun.
    5 wirkungslose Mittel gegen das Aufschieben
Schreckensszenarien. Im Fachbuch «Procrastination and Task Avoidance» heißt es: «Aus unserer klinischen Erfahrung heraus können wir feststellen, dass das Konfrontieren des Patienten mit Schreckensbildern so gut funktioniert wie in anderen Bereichen der Verhaltensänderung auch – nämlich wenig bis gar nicht. Das gilt insbesondere dann, wenn der Prokrastinierer sowohl geringe Gewissenhaftigkeit als auch große Ängstlichkeit zeigt. Tadel, gutes Zureden, Drohungen und andere laienhafte Techniken sind offenbar genauso wirkungslos.»
Angstlösende Medikamente. Der Prokrastinationsfor scher Joseph R.   Ferrari und Kollegen berichten aus ihren Erfahrungen mit prokrastinierenden Studenten, dass angstlösende Medikamente die Situation «in der Regelverschlimmern, vermutlich, indem sie die Angst zu stark reduzieren und im Patienten eine ‹Mir doch egal›-Haltung hervorrufen».
Psychotherapie. Der überschaubaren Fachliteratur lässt sich entnehmen, dass allgemeine psychotherapeutische Ansätze offenbar nicht spezifisch gegen Prokrastinationstendenzen wirken. Kurzzeittherapien scheinen zumindest bei Studenten nichts auszurichten. Die Erfolgsaussichten spezieller und/​oder längerfristig angelegter Therapieformen wurden bisher nicht untersucht.
Bewährte Prokrastinationstätigkeiten über Bord werfen. Gibt man aufgrund guter Vorsätze das Bloggen, das Fernsehen oder das Twittern auf, um sich ganz der «eigentlichen Arbeit» zu widmen, wächst sofort eine neue Beschäftigung nach und füllt die Lücke. Im schlimmsten Fall handelt es sich dabei um ein Multiplayer-Onlinespiel. Das neue, funkelnde Spielzeug verschlingt alle verfügbare Zeit, und für die Arbeit bleibt nichts mehr übrig. Während man die frühere Gewohnheit halbwegs im Griff hatte und seine Arbeit halbwegs um sie herum anordnen konnte, muss das neue

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