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Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Titel: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Kathrin / Lobo Passig
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und Möglichkeiten des Alltags zu gelangen. Prokrastination ist häufig eine Folge der Überforderung durch die Umwelt. Es ist eine natürliche Reaktion, bei einer Vielzahl verschiedener Anforderungen die meisten – zeitweise sogar alle – auszublenden und damit Arbeit liegenzulassen. Dieser Zusammenhang zwischen Überforderung und Prokrastination betrifft die gesamte Gesellschaft – manche Menschen kommen nur besser damit zurecht.
    Es ist keine Schande, überfordert zu sein, sondern die Normalität des Menschen im 21.   Jahrhundert. Das ist die Kernbotschaft, die jeder eigentlich schon aus der oberflächlichen Analyse der Umwelt ableiten sollte. Bleibt man in Europa und sucht nicht gerade in den Zellen eines Trappistenklosters mit Schweigepflicht, kann man davon ausgehen, dass es zwei Arten von Menschen gibt: diejenigen, die überfordert sind, und diejenigen, die nicht merken, dass sie überfordert sind. Um sich der Überforderung im Alltag inhaltlich zu nähern, unterteilen wir sie in verschiedene Bereiche: die technische, die berufliche, die informationelle und die soziale Überforderung; von der emotionalen Überforderung wollen wir aus Komplexitätsgründen einmal absehen.
    Technische Überforderung
    Um die Blickrichtung festzulegen: Wir halten technologischen Fortschritt für einen Segen und glauben, dass es für viele soziale Probleme eine technische Lösung gibt. Bedauerlicherweise sind viele dieser Lösungen noch nicht gefunden, und wenn, halten sie sich im Wust der technischen Gerätschaften verborgen. Das klassische Beispiel für dieAlltagsüberforderung, die blinkende Zeitanzeige 00   :   00 auf technischen Geräten, ist ein Symbol für die technische Überforderung, die auch statistisch untermauert ist. Über alle Geschlechts- und Altersgrenzen hinweg sind sich über 70   Prozent der Deutschen einig, dass Bedienungsanleitungen fast immer unverständlich formuliert sind («GEO», Mai 2005, repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach unter 2000   Bundesbürgern). Dabei ist zum Beispiel die Einstellung der Zeitanzeige gegen die Einrichtung eines Mailaccounts auf einem Handy oder die Konfiguration eines durchschnittlichen DS L-Modems eine Fingerübung.
    Mit der digitalen Revolution ist die Beherrschung der Technik Voraussetzung für die normale Teilnahme an der Gesellschaft geworden. Schon wer U-Bahn fahren möchte, muss sich mit Geräten auseinandersetzen, an denen der junge Leibniz sein logisches Genie hätte aufreiben können. Die Berliner Verkehrsbetriebe bieten 117 verschiedene Ticketvarianten an, von der Kleingruppenkarte ABC (22,50   E) über die Geschwisterkarte AB im Abo (160,00   E) bis zur CityTourCard Museumsinsel (29,90   E). Technik, die eigentlich dem Menschen dienen sollte, erledigt inzwischen zwar anstrengende Arbeiten und reduziert im Alltag auch die Qualen der Konfrontation etwa mit handgeschriebenen Texten. Leider vereinfacht die an sich zu preisende Technologie viel zu oft einen Lebensbereich um den Preis der Komplexität in einem anderen. Die schiere Masse der zu beherrschenden Technologien wird zur Überforderung, selbst wenn ein Teil der Technik durchaus einfacher wird. Ein Telefon in den achtziger Jahren hatte im Schnitt ein Dutzend Funktionen, ein Telefon heute bietet Aberhunderte Funktionen, darunter einige, mit denen man weitere Funktionen selbst programmieren kann. Das ist an sich gut, weil so jeder Nutzer das Gerät seinen Bedürfnissen anpassen kann. Oder könnte, dennleider hält – wie im Eingangsbeispiel beschrieben – die Bedienbarkeit nicht mit der Vervielfachung der Wahlmöglichkeiten Schritt.
    Gleichzeitig existiert eine Art «Dialektik des Fortschritts», denn der Effekt technologischer Aufrüstung ist nicht automatisch gleichbedeutend mit mehr Freizeit. Robert Levine schreibt in «Eine Landkarte der Zeit»: «Neuere Forschungen zeigen, dass Bauersfrauen in den zwanziger Jahren, die ohne Elektrizität auskommen mussten, deutlich weniger Zeit auf die Hausarbeit verwendeten als die Hausfrauen in den Vororten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts mit ihrem ganzen modernen Maschinenpark. Ein Grund dafür ist, dass fast jeder technische Fortschritt mit einer Steigerung der Erwartungen einhergeht.» Ein anderer Grund dafür ist schlecht gemachte Technologie. Sie verfehlt ihre eigentliche Aufgabe, nämlich das Leben der Menschen einfacher zu machen, und löst stattdessen ungeheure Aggressionen aus – wer war noch nie Zeuge eines

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