Dinner for One Killer for Five
nicht möglich sein.
»Nun, Merlin?«, sagte die Stimme.
»James McMullen«, sagte James.
»Merlin in der Gestalt von James«, sagte die Stimme.
James schluckte. War das seine eigentliche Berufung? »Initiation«, hatte Winterbottom das genannt. War es der große Magier Merlin persönlich, der da tief verborgen in seiner Seele geschlummert hatte? Der größte Zauberer aller Zeiten? Nicht übel.
»Wenn ich um Ihren Namen bitten dürfte?«
Der Ritter lachte donnernd.
»Aber, Merlin, erkennst du deinen Freund nicht mehr? Ich bin es doch, König Artus.«
James schluckte. Wenn er sich doch nur besser in dieser verdammten Sagenwelt auskennen würde. Highlander und Lowlander, die dunklen Zeitalter, Sherwood Forest... nein, das gehörte nicht dazu. Krampfhaft versuchte er, sich zu erinnern. Es musste das Feenreich der Insel Avalon sein. Bestimmt. Avalon, das hatte er doch schon als Kind so gemocht. Voller schöner Frauen in wallenden Gewändern, wärmende Feuer, friedliche Schafe, Nebel zum Verstecken... und König Artus hatte irgendetwas mit einem Gefäß zu tun. Genau, der heilige Gral! Der Mann war auf der Suche nach dem heiligen Gral, und er war Vorsitzender der Tafelrunde. Merlin stand ihm beiseite und natürlich...
Drüben löste sich ein Schimmel vom Waldrand und galoppierte auf sie zu. Elfengleich saß sie in ihrem weißen Umhang auf dem Schimmel. Fee Morgana, die Schwester und Beschützerin von Artus. Mit einer grazilen Handbewegung hob sie ihren Schleier aus dem Gesicht. James wich jäh zurück. Kein Zweifel, dort auf dem Pferd saß niemand anderes als Miss Sophie.
»Merlin höre: Mein Schutzschild wird immer über dich wachen.«
König Artus zog sein Schwert aus der Scheide.
»Und Excalibur wird dich beschützen. Auf Leben und Tod.« James nickte stumm. Das mit der Geisterbeschwörung klappte ja wie am Schnürchen.
»Folge mir und suche den heiligen Gral.«
Ein Sonnenstrahl brach durch die Wolkendecke und hüllte Artus alias Winfrid Winterbottom in strahlendes Licht. Nebel wallten über der Wiese auf, wurden immer dichter, und James hörte das hämische Kichern von drei Stimmen.
»Nein, keine Hexen«, sagte er beschwörend, als wolle er den Spuk und damit auch seine Angst vertreiben. Drei schwarze Ritter stampften in scheppernden Rüstungen auf ihn zu. König Artus war verschwunden. Einer der Ritter trug eine gewaltige Streitaxt, der andere einen Pfeil und der dritte eine Armbrust. Ihr Lachen schwoll zu einem Brüllen an. Nacheinander schoben sie ihr Visier in die Höhe, und James wich zu Tode erschrocken zurück. Vor ihm standen Sir Toby, Admiral von Schneider und Mr. Pommeroy.
* * *
Oggerty kaute an einer interessanten Idee. Verbarg sich hinter den verrutschten Gemälden und dem verschwundenen Armreif nur die Spitze eines Eisbergs? Wurde da gerade ein Versicherungsbetrug inszeniert? Mit Hokuspokus, Geisterbeschwörung und allem Drum und Dran? Ja, vielleicht hatte man ihn nur aus fadenscheinigen Gründen nach Rosen-Manor gelockt, um einen über alle Zweifel erhabenen Zeugen vorweisen zu können. Doch worin bestand das eigentliche Verbrechen?
Oggerty würde wachsam und unbestechlich bleiben. Gegen seine Theorie sprach, dass der Chefinspektor selbst Mr. Winterbottom als Sachverständigen vorgeschlagen hatte. Und noch etwas lag völlig im Dunkeln. Gab es einen Zusammenhang mit den anderen Mordfällen im Umfeld von Miss Sophie und ihrem Butler James? Wenn sich doch nur der Chefinspektor bald melden würde.
Ein Bürobote brachte ihm die Akte im Fall Kinkerley. Als Oggerty sie hinüber zum Schreibtisch des Chefinspektors tragen wollte, flatterte ein Blatt zu Boden. Der Obduktionsbefund. Die Pathologen hatten in ihrem Magen keineswegs einen leichten Imbiss aus einem Pub gefunden. Nein, sie hatte vor ihrem Tod fürstlich gespeist. Zumindest hatte man Reste von Hummer, Flusskrebsen, Trüffeln und Kaviar in ihrem Leib festgestellt. Für eine Frau ohne festen Wohnsitz und mit zwei halb leeren Flaschen minderwertigen Gins in einem Einkaufsbeutel sicherlich ein außergewöhnlicher Festtag.
* * *
James hatte das Gefühl, als würde eine Armee schwer bewaffneter und zu allem entschlossener Ameisen versuchen, die Innenseite seines Schädels aufzustemmen. Ein derart gewaltiger Kater hatte ihn lange nicht mehr ereilt. Bei geschlossenen Vorhängen versuchte er, auf seinem Bett zur Besinnung zu kommen. Gut, er hatte ein paar Gläser zu viel von diesem Gebräu zu sich genommen, doch eigentlich verbargen sich
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