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Dirigent

Dirigent

Titel: Dirigent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Quigley
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Mundwinkel wie ein schiefer Zahn. »Noch was?«
    »Nein.« Elias wandte sich vom Kiosk ab und schüttelte die Zeitung auf – und da war es.
    »Ungelenk ... mehr Farce als Komödie ...« Die Sonne schien so grell, dass er die Wörter fast nicht entziffern konnte. »Ein leichtfertiges Spektakel, in dem der Stil derVitalität geopfert wird.« Fast tat Prokofjew ihm leid. Immer, unweigerlich, fiel man bei den Kritikern irgendwann in Ungnade.
    Doch das war es nicht, wonach er gesucht hatte. Seine Augen rasten die Spalte hinunter. »Natürlich«, murmelte er langsam. »Was hattest du denn erwartet.« Er faltete die Seiten einmal, zweimal, dreimal, bis er sich die Zeitung als harten Pfropf unter den Arm stecken konnte. Dann wechselte er wieder auf die andere, schattige Straßenseite und lehnte sich an die Mauer eines Wohnblocks, presste sich gegen den kalten Stein, als könnte er dessen Kraft in sich aufnehmen.
    »Aha!« Jemand trat aus dem Eingang links von ihm. »Wenn das nicht Karl Eliasberg ist!«
    Elias blinzelte und sah Sollertinski neben sich stehen. »Einen schönen guten Morgen, Iwan«, sagte er mit so fester Stimme wie irgend möglich.
    »Den wünsche ich Ihnen auch!« Sollertinski war dabei, sich den Schlips zu einem unordentlichen Knäuel zu schlingen. Für einen so hervorragenden Dozenten und erst recht für den künstlerischen Leiter der Leningrader Philharmoniker sah er ziemlich verwahrlost aus. »Zumindest hoffe ich, dass es ein guter Morgen ist. Ich werde mir gleich eine Zeitung kaufen, um zu sehen, was für ätzende Worte dieser Mistkäfer Druskin über mein Orchester gefunden hat.«
    Elias schluckte so laut, dass er meinte, es müsse noch über den Lärm der Straßenbahn hinweg zu hören sein. »Ich habe die Kritik eben gelesen«, sagte er.
    »Ah! Und wie vernichtend ist sie?« Sollertinski klappte seinen Kragen über den schief sitzenden Schlips herunter und blinzelte Elias an.
    »Gar nicht vernichtend, Herr Sollertinski.« Elias biss sich auf die Lippe; selbst die Mängel in Sollertinskis Aufmachung retteten ihn nicht vor übertriebener Ehrerbietung. »Das heißt, Prokofjew kommt nicht besonders gutweg, aber Mrawinsky – nun, Mrawinsky hat die Lage einmal mehr gerettet.«
    »Tatsächlich?« Sollertinski entdeckte die Zeitung unter Elias’ Ellbogen. »Darf ich?«
    »Natürlich.« Elias gab sie ihm, als wäre sie glühend heiß.
    Sollertinski strich das Papier glatt. »›Nur Jewgeni Mrawinski und seine erfahrenen Musiker konnten die Musik vor Fadenscheinigkeit bewahren‹«, murmelte er, den Artikel überfliegend. ›Seine Stocktechnik ist so sparsam wie souverän.‹ Schön! ›Schubkarren voller Selbstvertrauen, das sich in absolute Autorität übersetzt.‹ Sehr gut! ›Leningrad kann sich glücklich schätzen, einen Dirigenten von diesem Format zu haben.‹ Na bitte! Er richtete sich auf, doch die Zeitung in seinen Händen blieb gebogen wie ein alter Nagel. »Wer hätte gedacht, dass sich in Druskins Herz so viel Wärme verbergen könnte, was?«
    »In der Tat.« Elias versuchte zu lächeln; er fürchtete, sein Gesicht würde vor Anstrengung Risse bekommen. »Erstaunliche Kritik für eine so harte Nuss.«
    Mit elegantem Schwung hielt Sollertinski ihm die absurd aussehende Zeitung wieder hin, doch er winkte ab. »Bitte, behalten Sie sie. Ich habe schon genug gelesen.«
Der Geburtstag
    Glück oder die Abwesenheit davon hielten sie immer vom Schlafen ab. Heute Nacht war sie glücklich. Sie lag auf dem Rücken, betrachtete die Tigerstreifen, die der Mond an die Wand malte, und zwang sich, in derselben Stellung zu verharren, während sie ihre Atemzüge zählte.
    Als sie bei vierzig angekommen war – einatmen, ausatmen –, konnte sie nicht mehr leugnen, dass sie schneller atmete als sonst. Die Bettdecke raschelte kaum, so flach arbeitete ihre Lunge, so aufgeregt war ihr Herz.
    »Mäuseatem«, schalt sie sich selbst. »Du schummelst!« Als sie die vorgesehenen fünfzig Atemzüge gemacht hatte, fügte sie zur Strafe noch zehn hinzu, obwohl das Verlangen, sich auf die Seite zu drehen, fast unerträglich geworden war. »Du bist die geborene Lehrerin!«, sagte Papa immer, wenn sie eine Lektion noch einmal neu schrieb, weil sie auf der letzten Zeile einen Tintenklecks gemacht hatte. »Ich kenne nur einen einzigen anderen Menschen, der genauso viel Wert auf Perfektion legte wie du.« Er lachte und seufzte zugleich, als er das sagte. »Vielleicht brauchst du nicht ganz so streng mit dir zu sein. Das Leben ist

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