Dirnenmord am Montmartre ROTE LATERNE ROMAN Band 8 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
Ich stand eine ganze Weile dort drüben hinter dem Vorhang. Ich habe alles mit angehört. Deine Auseinandersetzung mit dem Clochard und dein Telefonat mit Victor.«
Yvettes Augen wurden groß und rund.
»Victor?«, fragte sie. »Welchen Victor meinst du?«
»Den Victor, der die vier Mädchen ermordet hat und den du gewarnt hast, Yvette. Ich weiß genug über ihn, und damit weiß ich auch genug über dich. Du hast ja Zeit darüber nachzudenken, ob du mir vielleicht nicht doch die Miete erlassen willst. Natürlich, liebe Yvette, bin ich kein Unmensch. Ein kleiner Zuschlag bringt mich zum Schweigen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Man sah, dass über der Schminke der Frau nun Schweißperlen zu glitzern begannen.
»Du bist verrückt!« keuchte Yvette. »Du hast keinerlei Beweise. Du kannst überhaupt nicht wissen, wer Victor ist.«
»Ich weiß es«, sagte Lilly. Sie zog ein Foto aus ihrer Tasche und hielt es Yvette unter die Nase. »Das ist Victor«, sagte sie.
»Woher, in Dreiteufelsnamen, hast du dieses Foto?«
»Uninteressant«, sagte Lilly und steckte es rasch wieder in ihre Handtasche zurück. »Ich weiß noch mehr, Yvette. Die Concierge im Haus Nummer elf in der Rue de Piedre, Madame Richard, hat dir einmal einen Schlüssel überlassen, als du sie vertreten hattest. Erinnerst du dich daran, als die Concierge im Krankenhaus gewesen ist?«
»Und?«
»Alles Weitere, was ich weiß, solltest du dir selbst zusammensuchen. Wenn ich mit meinem Wissen zu den Bullen gehe, dann bist du reif. Beihilfe zum Mord nennt man das, soviel ich weiß.«
»Halt die Klappe«, keuchte Yvette und sah sich um. »Du sollst dein Geld bekommen, Lilly. Hör zu, ich bin in diese Sache hineingeschlittert. Ich konnte nichts dafür. Es geht um meine Existenz, Mädchen.«
»Ich weiß«, sagte Lilly kühl. »Die anderen Mädchen existieren nicht mehr und hatten auch eine Existenz, Yvette.«
»Verdammt!«, keuchte die Barbesitzerin und ließ ihre beringte Hand auf die Theke klatschen. »Du willst Geld. Gut, du sollst es haben, Lilly. Ich werde mit Victor darüber reden. Er besitzt genug, um dir eine Existenz aufzubauen, verstehst du? Du musst schweigen, Lilly. War ich nicht immer gut zu dir? Habe ich dir nicht immer geholfen?«
»Das allerdings«, sagte Lilly ein wenig wehmütig, weil sie nie geglaubt hätte, dass Yvette sich der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht hätte. Sie hatte Yvette immer für eine sogenannte ehrliche Haut gehalten. Aber das dem nicht so war, das war ja nun bewiesen.
»Es ist halb zwei«, sagte Lilly. »Ich bin verflucht müde. Ich gehe nach oben. Wenn du nichts dagegen hast, reden wir morgen weiter. Lass dir keine grauen Haare unter deiner Perücke wachsen, Yvette. Es kommt schon alles in Ordnung.«
»Dafür werde ich sorgen«, sagte Yvette, und ihr mächtiger Busen wogte beim Atmen.
Gegen halb fünf erloschen die letzten Lichter im 'La voile rouge'. Zu dieser Zeit ließ Yvette einen Mann in das Etablissement. Die massige Frau legte ihren Finger an den Mund.
»Sei leise, Victor«, raunte sie. »Sie ist oben. Sie konnte das Zimmer nicht verschließen. Ich habe den Schlüssel verschwinden Lassen. Aber sie hat es vermutlich nicht bemerkt, denn sonst wäre sie zu mir gekommen. Sie kam nicht, Victor. Tu, was du zu tun hast. Wenn wir sie loshaben, dann können wir uns wieder sicher fühlen.«
Der Mann, den Yvette Victor genannt hatte, ging über die Treppe nach oben. Er schlich langsam über den Flur. Yvette folgte ihm.
»Das letzte Zimmer rechts«, raunte sie. »Ich habe die Klinke geölt. Sie wird kein Geräusch machen. Nun geh schon.«
Der Mann näherte sich der Tür. Langsam drückte er die Klinke und stieß die Tür auf. Die Vorhänge waren geöffnet, und über Sacre-Coeur in der Ferne stand ein runder weißer Mond. Gespenstisch weiß beleuchtete er den Raum.
Auf dem breiten Messingbett zeichnete sich unter der Decke die Gestalt eines Mädchens ab. Das lange, blonde Haar fiel über das Kopfkissen. Absolute Stille herrschte im Raum. Man hörte nur das Atmen dieses Mannes und das von Madame Yvette.
-»Es wird keiner etwas merken«, flüsterte Yvette. »Nun geh, Victor.«
»Sie gehört nicht dazu«, raunte der Mann.
»Aber sie ist eine Gefahr! Victor, sie ist die gleiche Gefahr, die Pierre, der Clochard, für uns bedeutet hat. Nun geh.«
Damit versetzte sie dem Mann einen leisen Stoß. Er taumelte in den Raum hinein. Das Mädchen auf dem Bett rührte sich nicht.
Und dann sah man im Mondlicht
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