Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
bestand.
»Du hast Eddie erschossen«, schrie sie.
»Das ging ruckzuck«, sagte Wyatt. »Und während er starb, rief er nach Lydia.«
Das war genial. Die Frau stieß den Arzt beiseite, ging in die Hocke, riss den Arm mit der Waffe hoch und Wyatt schoss ihr in den Hals. Er hatte sie in der Leistengegend treffen wollen, doch sie hatte sich zu schnell geduckt, ihn damit überrumpelt und so hatte sich die Kugel durch ihre Kehle gebohrt. Sie drückte ebenfalls ab, doch zwanzig Minuten eine schwere Pistole tragen, noch dazu den Kopf des Arztes damit bearbeiten, das hatte zur Ermüdung ihres Arms geführt. Ihr Schuss war zu niedrig angesetzt, zu ungenau, die Kugel prallte vom Beton ab und fegte über Wyatts Schädel hinweg.
Wyatt stand noch aufrecht. Lowe war schnell auf die andere Seite des Treppenabsatzes gerutscht und seine Augen unter den geschwollenen, blutenden Lidern waren voller Hektik. »Ist sie tot?«, fragte er.
»Sie sind der Arzt.«
Lowe sah hinüber. »Sie ist tot.«
Wyatt ging zu Lowe und zerrte ihn auf die Füße. »Wir müssen sie hier wegschaffen.«
»Was ist mit Lydia?«
»Hat man sie nicht umgebracht? Im Apartment?«
Lowe schüttelte den Kopf. »Ich habe sie gewarnt, habe unser Telefonsignal benutzt. Sie konnte entwischen.«
Aber warum war sie dann nicht ans Telefon gegangen? Wyatt fehlte die Zeit für irgendwelche Schlussfolgerungen. Er hielt es für unwahrscheinlich, dass jemand die Schüsse gehört hatte — ein kleiner, separater Raum unterhalb des Erdbodens —, andererseits war die Treppe eine bequeme Abkürzung zur Tiefgarage. Er zog sein Jackett aus, erklärte Lowe, er solle das Blut damit aufwischen, legte sich Eddies Freundin über die Schulter und trug sie die Stufen hinunter und durch die Metalltür. Die Wagen der Mieter standen auf ihren Stellplätzen wie geduldige Tiere in ihrem Stall; die Luft stand und es roch nach Abgasen. Wyatt beeilte sich, zu dem erst kürzlich abgestellten Holden zu gelangen. Ein Wagen, der problemlos aufzubrechen war, mit geräumigem Kofferraum und einem Besitzer, der vermutlich heute nicht mehr damit fahren würde.
Wyatt versenkte die Tote im Kofferraum und war im Begriff, zu Lowe zurückzugehen, als ihm getrockneter Schlamm im Profil der Reifen eines Land Rovers ins Auge stach. Er pulte etwas davon heraus und ging zurück zum Treppenaufgang. Lowe hockte erschüttert auf einer Stufe und versuchte vergeblich, Khandis Blut wegzuwischen
»Stehen Sie auf«, sagte Wyatt.
Es war weniger Blut, als er gedacht hatte, aber er ließ die Wischerei sein, zerkrümelte den Schlamm zu Pulver und verteilte ihn auf den Treppenstufen. Nur ein Notbehelf, der aber das Auge täuschte. Damit kannte Wyatt sich aus.
Er half Lowe in den Wagen und fuhr aus der Tiefgarage. In der St. Kilda Road fragte er: »Werden Sie das verkraften?«
»Für so etwas habe ich mich nicht zur Verfügung gestellt.«
»Werden Sie das verkraften?«
Lowes Miene hellte sich auf: »Mit dem Bill Henson meiner Frau ... «
Wyatt verzog den Mund. »Also wieder ganz der Alte«, sagte er und hielt an. »Sie steigen hier aus. Gehen Sie gleich nach Hause. Wenn Lydia sich bei Ihnen meldet, kümmern Sie sich um sie. Ich habe etwas zu erledigen.«
»Was?«
Wyatt antwortete nicht, sondern fuhr los, lenkte den Holden durch die Straßen. Samstagnachmittag, der Verkehrsstrom floss zu den Baumärkten und Sportplätzen, niemand, der darauf achtete, wie Wyatt in die vergessenen Winkel eindrang, wo Abbotsford an den Fluss grenzte. Sieben Minuten später wischte er den Wagen ab, steckte ihn in Brand und entfernte sich von einem weiteren Tod.
Jetzt gestattete er sich, ein paar Gedanken an Lydia Stark zu verschwenden. Er erwartete nicht, sie je wiederzusehen, aber sie würde sich in seinem Kopf bemerkbar machen wie ein kleiner Stein in seinem Schuh.
46
Lydia stand noch immer hinter dem Spion und traute sich nicht, das Apartment der Chinesin zu verlassen. Von nebenan drang wütendes Gekreische herüber und dann wurde Dr. Lowe wieder den Flur entlanggetrieben, begleitet von Khandis Gebrüll: »Von wo hat er angerufen? Vom Eingang? Aus der Garage?«
Wyatt, dachte Lydia. Sie bemerkte, wie sie die Hände rang und von einem Bein aufs andere trat. Sie wusste nicht, wie sie ihn warnen sollte, wusste nicht, wie sie dem Arzt helfen sollte, ohne bei einem entsprechenden Versuch mit Eddies Freundin zusammenzustoßen. Also rührte sie sich nicht vom Fleck.
Dann das Bumm! der schweren Tür zum Treppenhaus, danach Stille,
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