Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
eingab. »Das ist eine Waffe«, sagte sie.
Lowe erstarrte, schon halb im Hauseingang.
»Bringen Sie mich zu Lydia.«
»Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen.«
»Und dann warten wir auf Wyatt.«
»Wer sind Sie? Wovon um alles in der Welt sprechen Sie? Wollen Sie Geld? Drogen? Ich hab fünfzig Dollar bei mir und ein paar Schmerzmittel in meiner Arzttasche.«
»Verlockend«, sagte Khandi, »aber nein, danke.«
Sie spürte seine Angst durch den Lauf der Pistole, den sie fest gegen seine Wirbelsäule gepresst hielt. »Wenn Sie machen, was ich sage, passiert Ihnen nichts. Rufen Sie immer an, bevor Sie das Gebäude betreten?«
»Warum sollte ich?«, erwiderte Lowe.
In seiner Stimme flackerte ein forsches Flämmchen auf. Um das zu ersticken, fuhr Khandi mit der Waffe an Lowes Arschspalte entlang und stieß den Lauf zwischen seine Beine, knapp unterhalb seiner Eier. Der Arzt schnappte nach Luft und vollführte vor Angst einen ungelenken Tanz. »Darum«, sagte Khandi.
»Okay, okay.«
»Also, noch mal von vorn. Sie rufen an, bevor Sie das Gebäude betreten. Und dann?«
»Ich ... äh ... rufe wieder an, wenn ich drin bin, damit sie Bescheid wissen, dass mir niemand gefolgt ist.«
»Okay, machen Sie das, aber Tricks oder den Harten markieren hilft Ihnen nicht weiter. Ich verpass Ihnen eine Kugel in den Rücken, schieß Sie erst zum Krüppel und dann schieß ich mir den Weg ins Apartment frei.«
Der Arzt bebte, mit zitternden Fingern drückte er die Tasten seines Telefons. »Lydia? Alles klar, ich komm jetzt rauf.«
Sie betraten den Fahrstuhl.
»Drücken Sie auf den Knopf«, sagte Khandi und kitzelte Lowes Arschloch mit der Pistole.
Er drückte die Acht. Acht? Wollte der was abziehen? Khandis Gedanken überschlugen sich. Nein, der kleine Scheißer hatte viel zu sehr die Hosen voll. Wyatt musste zwei Verstecke im selben Gebäude haben. Das Offensichtliche, das Banale an dieser Geschichte versetzte sie in Rage. Sie bearbeitete den Schädel des Arztes ein paarmal mit der Beretta. Wen zum Teufel hatte sie vorhin erschossen?
Wyatt. Er musste es gewesen sein. Die Gefühle kochten hoch in ihr. Zuerst würde sie die Alte ausschalten, dann das mit Wyatt checken.
44
Lydia hatte sich an Wyatts Plan gehalten: das Telefon neben dem Bett, wenn sie schlief, in der Tasche von Wyatts dickem Bademantel, wenn sie sich am Morgen und am Abend durch das Apartment bewegte, und während der restlichen Zeit in der Tasche ihrer Jeansjacke. Sie wollte es sich abgewöhnen, nur noch im Bademantel zu stecken. Sie fühlte sich darin wie eine Schwerkranke und das verzögerte ihre Genesung. Außerdem rief er lästige Gefühle hervor, die Reibung des dicken Frottees auf ihrer Haut war angenehm, als würde Wyatt selbst sie einhüllen. Sie stand auf ihn. Doch es ging um mehr als nur körperliche Anziehung: Sie war im Wesentlichen wie er. Deshalb wollte sie auch nichts mit ihm anfangen. Eine klare Befürchtung dominierte alles: Eines Tages würde er es nicht länger verhindern können, dass man ihn tötete.
Als Lowe sie auf dem Mobiltelefon anrief, erhob sie sich vom Sofa und ging hinüber zum Fenster. Sie sah hinunter. Dort stand er auf dem Hof, klein und verzerrt durch den schrägen Blickwinkel. In der Nähe stand eine Frau, und während Lydia noch nach unten sah, drehte sich die Frau schnell um und starrte auf Lowes Rücken.
Lydia fand das beunruhigend. Sie beobachtete, wie die Frau direkt hinter Lowe das Haus betrat. Eddies Freundin? Eine böse Ahnung beschlich sie und ihr Blick huschte durchs Zimmer. Die Ahnung wurde bestätigt, als das Telefon klingelte. Der Festnetzanschluss. Das Signal zur Flucht.
Lydia war hin und her gerissen, ihr Herz hämmerte. Sie sollte Wyatt warnen. Sie sollte verschwinden.
Sie zuerst, Wyatt später. Flur, Treppe oder Fahrstuhl schieden aus, das Risiko war zu groß. Bliebe der Balkon. Lydia schlüpfte durch einen Spalt in der Schiebetür. Ein schneller Blick sagte ihr, dass Hinunterklettern keine Option sei, und die nächstgelegenen Balkone waren mindestens drei Meter entfernt, also mit einem Sprung nicht zu erreichen.
Aber es gab keine andere Möglichkeit, das Apartment zu verlassen. Sie sah sich noch einmal um. Der Balkon links von ihr stand voll mit Topfpflanzen und es war jemand zu Hause, sie sah, wie eine Gardine sich im Luftzug bewegte. Der Balkon rechts war leer und die Schiebetüren machten den unnachgiebigen Eindruck jeder verschlossenen Tür.
Voller Panik stürmte sie wieder hinein, rannte von
Weitere Kostenlose Bücher