Diva (DE)
und Pfeilen bekritzelt, wie Diagramme für Spielzüge beim Football. Einzelne Namen kann ich lesen… Eve Arden … Marlene Dietrich … Sidney Blackmer … In der anderen Hand hält der Mann eine weiße Papiertüte. Neben ihm ergießen sich aus den Mülltonnen die Rosen und Gardenien auf die Pflastersteine. Die Gladiolen und Orchideen stürzen in die stinkenden Rinnsale aus Matsch und Regenwasser. Der Mief von Geißblatt und verdorbenem Fleisch. Bleiche Hortensien mischen sich mit rosa Kamelien und blutroten Peonien.
»Schnell, Beeilung, wo ist Lady Katherine?«, sagt der Mann und schüttelt den Schreibblock, dass die Seiten flattern. Auf manchen strahlen die Namen von einem großen Rechteck in der Mitte aus in alle Richtungen. Das Geschlecht der Namen wechselt ab: Lena Horne , dann William Wellman , dann Esther Williams . Der Mann sagt: »Ich erwarte vierundzwanzig Gäste zum Dinner, und ich habe einen Platzierungsnotfall…«
Die Diagramme sind Sitzverteilungen. Die Rechtecke sind der Esstisch. Die Namen die Gästeliste. »Als zusätzlichen Anreiz«, sagt der Mann, »richten Sie Ihrer Majestät aus, dass ich ihr Lieblingsnaschwerk mitgebracht habe … Hochzeitsmandeln .«
Ihre Majestät nimmt keinen Bissen zu sich, sage ich.
Dieser Mann – dasselbe Gesicht sieht man in der Front der Kämpfer im Fernsehen lächeln, mitten in der Schlacht von Gettysburg – es ist Terrence Terry , ein ehemaliger Mr. Katherine Kenton, ehemals bei den Lasky Studios unter Vertrag stehender Tänzer, ehemaliger Geliebter von Montgomery Clift , ehemaliger Lustknabe von James Whale und Don Ameche , Ex-Co-Sodomit von William Haines , der fünfte Verflossene und zur Zeit in Nöten, wen er bei dem Essen, das er heute Abend gibt, neben Celeste Holm platzieren soll.
»Das ist ein Bewirtungsnotfall«, sagt dieser Terrence. »Katherine soll mir sagen: Hat Jack Buchanan etwas gegen Dame May Whitty ?«
Ich sage, dafür dass er Miss Kathie geheiratet habe, hätte man ihn ins Gefängnis werfen sollen. Homosexuelle dürften von Gesetz wegen gar nicht heiraten.
»Nur untereinander«, sagt er und kommt in die Küche.
Ich schließe die Tür, drehe den Knauf, befestige die Kette, schiebe den Riegel vor.
Wie auch immer, sage ich, man heiratet nicht einfach so, bloß um seine Vita zu garnieren. Dann nehme ich ein leeres Blatt Briefpapier vom Küchentisch und bringe es so an dem feuchten Fenster an, dass es den bereits an die Scheibe geklebten Liebesbrief überdeckt.
»Ihre Majestät braucht nicht zum Essen zu uns zu kommen«, sagt dieser Terrence Terry . »Sie soll mir nur sagen, wen ich neben Jane Wyman setzen soll.«
Mit einem Füllfederhalter, mit blauer Tinte, ziehe ich auf dem neuen leeren Blatt die durchscheinende Schrift des Originalbriefs nach.
»Lady Katherine kann mir sagen, ob John Agar Links-oder Rechtshänder ist«, sagt dieser Terrence. »Sie weiß, ob Rin Tin Tin männlich oder weiblich ist.«
Während ich weiter den alten Brief auf das neue Papier übertrage, rate ich ihm, mit einem unbeschriebenen Blatt anzufangen. Mit einem unbesetzten Esstisch. Er soll Desi Arnaz links neben Hazel Court setzen. Rosemary Clooney gegenüber Lex Barker . Fatty Arbuckle spuckt immer beim Sprechen, also sollte er gegenüber Billie Dove platziert werden, der so blind ist, dass er davon nichts mitbekommt. Ich mache mich mit meinem Füller über Terrys Zettel her, ziehe Pfeile von Jean Harlow zu Lon Chaney Sr. zu Douglas Fairbanks Jr . So wie Knute Rockne Football-Spielzüge skizziert, kreise ich Gilda Gray und Hattie McDaniel ein und streiche June Haver aus.
»Wenn sie hungert«, sagt Terrence Terry und sieht mir bei der Arbeit zu, »muss sie mal wieder verliebt sein.« Er wickelt die weiße Papiertüte auf, greift hinein und holt eine Handvoll pastellfarbene Mandeln hervor, rosa und grün und blau. Er schiebt sich eine in den Mund und kaut.
Sie hungert nicht nur, sage ich, sie treibt auch Sport. Vereinfacht ausgedrückt, befestigen ihre Trainer Stromkabel an allen Muskeln, die sie an ihrem Körper finden, und jagen da Stromstöße hindurch, die einen durch wiederholte Blitzeinschläge induzierten Hürdensprint simulieren. Ich sage, das ist sehr gut für ihren Körper – aber schrecklich für ihre Haare.
Nach dieser Tortur lässt meine Miss Kathie sich die Beine rasieren, die Zähne weißen, die Nägel maniküren.
Terrence Terry kaut und schluckt und sagt: »Wer ist der Neue? Kenne ich ihn?«
Das Telefon an der Küchenwand
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