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Diva (DE)

Diva (DE)

Titel: Diva (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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neben dem Herd klingelt. Ich nehme den Hörer ab und sage: Hallo? Und warte.
    Die Türklingel läutet.
    Im Telefon sagt eine Männerstimme: »Ist Miss Katherine Kenton zu Hause?«
    Wen, frage ich, darf ich melden?
    Die Türklingel läutet.
    »Spreche ich mit Hazie, der Haushälterin?«, fragt der Mann im Telefon. »Mein Name ist Webb Westward. Wir haben uns vor ein paar Tagen im Mausoleum kennengelernt.«
    Bedaure, sage ich, aber ich fürchte, er hat sich verwählt. Sie sprechen hier, sage ich, mit der Staatlichen Einrichtung für Kriminell Leichtsinnige Weibliche Personen. Ich bitte ihn, nie wieder anzurufen. Und lege den Hörer auf.
    »Wie ich sehe«, sagt dieser Terrence , »schützen Sie Ihre Majestät noch immer.«
    Mein Füller folgt den handgeschriebenen Zeilen des Originalbriefs, malt sämtliche Schleifen und Pünktchen der durchscheinenden Wörter nach, kopiert sie auf dieses frische Blatt Briefpapier, den Satz: Meine liebste Katherine, wahre Liebe ist NICHT unerreichbar .
    Ich kopiere: Samstag um acht hole ich Sie auf einen Drink ab.
    Kopiere die Zeile: Zieh was Umwerfendes an.
    Mein Füller kopiert die Unterschrift: Webster Carlton Westward III.
    Wir alle leben mehr oder weniger in ihrem Schatten. Egal was wir sonst mit unserem Leben anfangen, unsere Nachrufe werden alle eine Formulierung enthalten wie »lebenslange bezahlte Gefährtin des Filmstars Katherine Kenton « oder »fünfter Ehemann der Filmlegende Katherine Kenton  …«
    Meine Kopie des Originalbriefs ist perfekt, nur dass ich statt Samstag in derselben steilen Handschrift Freitag schreibe. Ich falte diesen neuen Brief einmal, stecke ihn in den Originalumschlag zurück, auf dem hinten Miss Katherine geschrieben steht, lecke an dem Klebstreifen und kriege den Mundgeschmack von diesem Webster an die Zunge. Das Aroma von Maxwell-House -Kaffee. Den Geruch von dünnen Tiparillo -Zigarren und Bay-Rum -Herrenparfüm. Die chemische Zusammensetzung von Webb Westwards Speichel. Das Rezept für seine Küsse.
    Terrence Terry stellt die Tüte mit den Hochzeitsmandeln auf den Küchentisch. Er isst noch eine und sieht nach dem Fernseher. Er fragt: »Wo ist eigentlich dieser widerliche kleine Wadenbeißer geblieben, den sie damals aufgelesen hat, vor … wie viel … acht Jahren?«
    Der ist jetzt Schauspieler, sage ich und zeige auf den Fernseher. Außerdem war das vor zehn Jahren.
    »Nein«, sagt dieser Terrence. »Ich meine den Pekinesen.«
    Ich zucke die Achseln, entriegle die Tür, mache die Kette ab und öffne. Ich sage, der Hund ist noch da. Wahrscheinlich schläft er oben. Ich sage, er soll die Mandeln dalassen, ich sorge dafür, dass Miss Kathie sie bekommt. Ich stehe neben der offenen Tür und sage: Leben Sie wohl.
    Im Fernsehen tut Paco so, als küsse er Vilma Bánky . In den Abendnachrichten küsst der Senator Babys und schüttelt Hände. Auf einem anderen Sender wird Terrence Terry von einer Musketenkugel der Nordstaaten erwischt und stirbt bei der Belagerung von Atlanta . Wir alle sind nur Gespenster, die in Miss Kathies Welt weiterleben. Phantome wie der Duft von Geißblatt oder Mandeln. Wie verfliegender Dampf. Wieder läutet die Türklingel.
    Ich nehme die Süßigkeiten und stecke den gefälschten Liebesbrief in die Papiertüte, wo Miss Kathie ihn finden wird, wenn sie, total elektrisiert und rasiert und heißhungrig, am Nachmittag nach Hause kommt.

1. AKT, SIEBTE SZENE
     
    In der Eröffnungssequenz hält ein Taxi vor Miss Kathies Stadthaus. Die Sonne scheint durchs Laubwerk der Bäume. Vögel singen. Die Kamera nähert sich einem Fenster in der oberen Etage, Miss Kathies Boudoir; die Vorhänge sind vor dem blendenden Licht des Nachmittags fest zugezogen.
    Im Schlafzimmer schneiden wir auf die Nahaufnahme eines Weckers. Ziehen auf, so dass man sieht, die Uhr thront auf dem Drehbuchstapel neben Miss Kathies Bett. Der große Zeiger steht auf der Zwölf, der kleine auf der Drei. Miss Kathies Augen blinzeln auf und erblicken sich selbst, diese veilchenblauen Augen, in den Spiegeln im Baldachin ihres Betts. Eine schlaffe Filmstarhand wedelt schwach, streckt die Finger und stößt an das Wasserglas neben dem Wecker. Die Finger finden die Nembutal und führen die Kapsel an ihre Lippen. Miss Kathies Lider blinzeln zu. Die Hand fällt schlapp über die Bettkante zurück.
    Die gefälschte Version des Liebesbriefs, die von mir erstellte Kopie, liegt auf dem Kaminsims, genau in der Mitte zwischen den nicht so wichtigen Einladungen und Hochzeitsfotos.

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