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Diva (DE)

Diva (DE)

Titel: Diva (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Gewächshaus-Orchideen. Kamelien. Jeder neue Lieferant verrenkt sich den Hals, um an mir vorbeizusehen, reckt den Kopf, um im Vorsaal einen Blick auf die berühmte Katherine Kenton zu erhaschen.
    Ein Bild zu spät ruft Miss Kathies Stimme aus dem Off: »Wer ist da?« Gerade als der Lieferant gegangen ist.
    Und ich antworte jeweils laut: der Fuller-Brush-Vertreter. Ein Zeuge Jehovas. Ein Pfadfindermädchen, das Gebäck verkauft. Mit jedem Ding-dong der Türklingel erfolgt ein Schnitt auf den nächsten Strauß Geißblatt oder armlanger rosa Ingwerblüten.
    Ich rufe die Treppe hinauf Miss Kathie zu, ob sie einen Gentleman zu Besuch erwarte.
    Miss Kathie ruft zurück: »Nein.« Ruft weniger laut: »Keinen bestimmten.«
    Im Vorsaal, im Esszimmer und in der Küche wabert die Luft vom Geruch von Phantomblumen und gleißenden Geisterlilien. Ein unsichtbarer Garten. Der milchige Duft abwesender Gardenien. In der Luft schwebt das Aroma von Eukalyptus, den ich direkt zur Hintertür trage. Die Mülltonnen hinterm Haus quellen über von karmesinroter Bougainvillea und süßlich riechendem Seidelbast.
    Unterschrift auf jeder Karte: Webster Carlton Westward III .
    Wir blenden eine dieser Grußkarten ein und schneiden auf eine Nahaufnahme einer anderen Karte und noch einer anderen. Eine ganze Reihe solcher Karten. Dann die Nahaufnahme noch eines weiteren Umschlags, auf dem geschrieben steht: An Miss Katherine . Die Kamera zieht auf, und man erblickt mich mit diesem letzten versiegelten Umschlag, den ich in den Dampfstrahl eines auf dem Herd kochenden Kessels halte. Die Küche sieht ziemlich so aus wie ein Hundeleben zuvor, als meine Miss Kathie ihr Herz in das Fenster kratzte. Ein neues Detail, ein tragbarer Fernseher, steht auf dem Kühlschrank und sendet Szenen aus einem Krankenhaus in die Küche, aus einem Operationssaal, wo die in Gummihandschuhen steckende Hand eines Schauspielers nach einem Mundschutz greift und ihn sich vom Gesicht zieht, worauf der letzte Verflossene, Paco Esposito, erkennbar wird. Der siebte und jüngste Mr. Katherine Kenton . Sein Haar ist jetzt grau an den Schläfen. Der Schnurrbart graumeliert.
    Der Teekessel braust auf dem Herd, genau über der blauen Spinne einer Gasflamme. Dampf zischt aus der Tülle und wellt die Ecken des weißen Umschlags in meiner Hand. Das Papier wird feucht und dunkel, bis die geleimte Klappe sich an einer Seite abschält. Ich hebe die Klappe mit einem Daumennagel an. Und ziehe mit zwei Fingern den Brief heraus.
    Im Fernsehen beugt Paco sich über den OP-Tisch und zieht ein Skalpell durch den reglosen Körper eines Patienten, der von Stephen Boyd gespielt wird. Hope Lange spielt die Assistenzärztin. Suzy Parker die Anästhesistin. Paco richtet den Blick auf die OP-Schwester, Natalie Wood , und sagt: »So etwas Schlimmes habe ich noch nie gesehen. Dieses Gehirn muss unbedingt entfernt werden!«
    Auf dem nächsten Kanal stürmt ein Trupp Tänzer über eine Bühne, Darstellung der Schlacht am Antietam in einer Frank-Powell -Produktion einer Musicalversion des Bürgerkrieg s unter der Regie von D.W. Griffith . Den Führer der Konföderierten gibt mit Sprüngen und Pirouetten der Tänzer Terrence Terry . Eine herzzerreißend junge Joan Leslie spielt Tallulah Bankhead . H. B. Warner spielt Jefferson Davis . Musik von Max Steiner .
    Draußen hinter der Küchentür sagt eine Männerstimme: »Klopf, klopf.« Die Fenster vom Dampf beschlagen. Die Küchenluft ist feucht und warm wie die die Sauna in den Garden-of-Allah -Apartments. Meine Haare kleben strähnig an meiner nassen Stirn, platt wie eine Louise-Brooks -Schmachtlocke.
    Der Schatten eines Kopfs fällt auf die Außenseite des Fensters, in das meine Miss Kathie die Form ihres Herzens geschnitten hat. Hinter der beschlagenen Scheibe sagt die Stimme: »Katherine?« Ein Mann klopft mit den Knöcheln ans Glas und sagt: »Das ist ein Notfall.« Aufgefaltet, steht in dem Brief: Meine liebste Katherine, wahre Liebe ist NICHT unerreichbar . Ich streiche den Brief am feuchten Fenster glatt, wo er kleben bleibt wie eine Tapete, kondensierter Dampf als Kleister. Die Sonne scheint von draußen herein, das Licht macht das Papier durchsichtig, auf leuchtend weißem Hintergrund die handgeschriebenen Worte umrahmt von dem ins Glas geritzten Herz. Ich lasse den Brief dort kleben, entriegle die Tür, löse die Kette, drehe den Knauf und öffne.
    Draußen steht ein Mann mit einem Schreibblock in der Hand, die Blätter flattern. Jedes Blatt mit Namen

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