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Diva (DE)

Diva (DE)

Titel: Diva (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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kreiselnd an die Oberfläche. Das ganze Zeug, das den Abfluss verstopft.
    In der Schüssel strudelt eine Flut von Zuneigung und Anteilnahme, unterschrieben von Edna Ferber, Artie Shaw, Bess Truman . Die handschriftlichen Briefe und Karten, die Telegramme: Wenn ich etwas für dich tun kann … und: Bitte ruf an . Die Fetzen dieser Gefühlsäußerungen kreisen höher und höher, der Katastrophe entgegen, bald fließt es über, bald läuft es über den Rand der weißen Schüssel und ergießt sich auf den rosa Marmorboden. All die liebevollen Worte … ich habe sie in Stücke gerissen und die Stücke in noch kleinere Stücke gerissen, winzige Schnipsel. Mein ganzes heimliches Tun kommt ans Licht. All die Beileidsschreiben, die ich in den letzten Tagen vernichtet habe.
    Aus dem Badezimmer unten hallt durch die Stille des Stadthauses Miss Kathies Würgen, als aus ihrem Schlund ein Schwall Bœuf Stroganoff und Birnen à la Königin Charlotte und Kalb à la Prinz Orloff hervorsprudelt, zutage gefördert von dem mittels Druck eines Silberlöffels weit unten auf ihre Zunge ausgelösten Würgreflex.
    »Scheiß auf die Hoheiten«, sagt Miss Kathie und übergibt sich noch einmal, ihre Filmstarstimme heiser von Galle und Magensäure. »Denen macht das nichts«, sagt sie und entleert sich mit donnernden Ergüssen.
    Der niederträchtige Rat Busby Berkeley s an Judy Garland : »Solange Sie noch Stuhlgang haben, essen Sie zu viel.«
    Im oberen Bad steigen die zerfetzten Zuneigungsbekundungen auf und drohen auf den Fußboden zu schwappen. Schäumen der Katastrophe entgegen. Im allerletzten Moment sinke ich auf den rosa Marmorfliesen auf die Knie. Ich tauche eine Hand in den Strudel, bis an den Ellbogen in das kalte Wasser, verrenke mir fast die Schulter, wühle mich tief in das Abflussrohr und räume nasses Papier zur Seite. Kratze und presse einen Tunnel durch den kompakten Klump verquollener Zärtlichkeiten. Den weichen Brei aus Sentimentalitäten, den ich nicht sehen kann.
    Unten erbricht Miss Kathie Unmengen Gâteau Pierre Rothschild. Eisbombe Louise Grimaldi. Aunt-Jemima -Sirup. Lady-Baltimore -Torte. Den blasigen Schlamm unverdauter Jimmy-Dean -Würstchen.
    Die Rohrleitungen des alten Stadthauses erbeben, um unter Krachen und Rumpeln diese frische Ladung aufgeweichter Geheimnisse und Gourmetkotze aufzunehmen und weiterzuleiten.
    Ein »Hollywood-Leben« später tritt das Wasser in der Toilettenschüssel den Rückzug an.
    Die Schnipsel von Liebe und Anteilnahme, die freundlichen Grüße fließen ab. Süßwasser jagt die letzten Trostworte in die Kanalisation. Diese filigranen, geprägten, ausgestanzten und parfümierten Fragmente, das Klo verschlingt sie alle. Das Wasser frisst jedes einzelne Beileidswort von Jeanne Crain , die verschnörkelte Handschrift Ihrer Königlichen Hoheit Prinzessin Margaret , die Karten von John Gilbert, Linus Pauling und Christiaan Barnard . Namen und Widmungen, Brooks Atkinson, George Aliss und Jill Esmond , die Säuberungswelle reißt sie in den strudelnden Schlund, alles verschwindet, verschwindet mit der abfließenden Flut, bis nichts mehr da ist. Alles ertrunken.
    Aus dem unteren Bad hallt das Husten und Spucken meiner Miss Kathie, die den Gallengeschmack aus ihrem Mund loszuwerden versucht. Räuspern und Rülpsen. Ein letztes Spülen, danach das Zischen eines Aerosol-Raumdeodorants.
    Eine »New Yorker Sekunde« vergeht, dann stehe ich auf. Ein Schritt zum Waschbecken, und ich mach mich ruhig daran, meine triefenden Hände zu schrubben, sorgfältig die Worte Kummer und Tragödie unter meinen Fingernägeln zu entfernen. Schon ist der reizende Strauß aus rosafarbenen Rosen und gelben Lilien vom Salzwasser vergiftet, schon welken die Blüten und werden braun.

1. AKT, SECHSTE SZENE
     
    Die nächste Sequenz ist eine Montage aus kurzen Szenen, wie Blumen in dem Stadthaus eintreffen. Lieferanten in feschen Schirmmützen und polierten Schuhen läuten an der Haustür. Jeder trägt unterm Arm eine lange, mit einem weichen Samtband verschnürte Rosenschachtel. Oder trägt wie einen Säugling eine von Rosen strotzende Zellophantüte im Arm. Jeder Lieferant präsentiert mit der freien Hand ein Klemmbrett mit Kuli, um sich den Empfang bestätigen zu lassen. Wogende Massen weißen Flieders. Eine Lieferung nach der anderen trifft ein. Die Klingel läutet, und es kommen gelbe Gladiolen und scharlachrote Strelitzien. Zitternde Zweige rosa Hartriegel in voller Blüte. Das kühle Fleisch von

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