Diva (DE)
braunäugigen Pinscher zunichtemachen. Ich habe nicht mein Leben lang geschuftet, ein Denkmal zu errichten, das dumme kleine Jungen anpinkeln und mit ihren schmutzigen Pfoten niederreißen sollen.
Das Taxi hält kurz am Kiosk an der Ecke. Ich kaufe Zigaretten. Aspirin. Pfefferminzbonbons.
Im selben Augenblick schlägt der Wecker vier und beginnt zu dröhnen. Eine lange Filmstarhand streckt sich, die Finger tappen, Handgelenk und Unterarm stoßen an goldene Armbänder und Amulette.
Am Bordstein vor dem Stadthaus drücke ich dem Taxifahrer einen Zwanzigdollarschein in die Hand.
Drinnen dröhnt der Wecker weiter, dröhnt und dröhnt, bis meine Hand ins Bild fährt, auf den Knopf drückt, der den Lärm abstellt. Außer der Perücke und dem weißen Zobel habe ich das Kleid, das Bukett und die Schuhe mitgebracht. Ich habe einen Eiseimer gefüllt und saubere Handtücher und eine Flasche gekühlten Franzbranntwein mitgebracht, alles so sauber und steril, als wolle ich mich neben das Bett knien, um ein Baby auf die Welt zu holen.
Meine Finger halten einen Eiswürfel, reiben ihn langsam über die Haut unter einem veilchenblauen Auge, um Miss Kathies schlaffes Gewebe zu straffen. Das Eis gleitet über Miss Kathies Stirn und glättet die Furchen. Das Schmelzwasser sättigt die Haut ihrer Wangen und lockt das Rosa hervor. Die Kälte lässt die Falten an ihrem Hals schrumpfen und die Haut um ihr Kinn sich zusammenziehen.
Unsere Vorbereitung auf heute Abend, ihre Ruhe und meine Arbeit, ein Theater und Gewese, als hätte meine Miss Kathie einen Termin zu Probeaufnahmen oder zum Vorsprechen.
Mit einer Hand tupfe ich das Schmelzwasser ab. Ich bestreiche ihr Gesicht mit Wattebäuschen, getränkt in kalten Franzbranntwein, der die Poren schließt. Ihre Haut ist jetzt kalt wie der Zobel aus dem Kühlhaus. Früher lebten alle Pelztiere der Welt in Furcht und Schrecken vor Katherine Kenton . Wie Roz Russell oder Betty Hutton , wenn Miss Kathie es sich in den Kopf setzte, einen roten Hermelinmantel oder einen Hut mit Pelikanfedern tragen zu wollen, war kein Hermelin oder Meeresvogel vor ihr sicher. Ein einziges Foto von ihr, wie sie zu einer Preisverleihung oder Premiere eintrifft, reichte vollkommen aus, die meisten Tiere auf die Liste der gefährdeten Arten zu bringen.
Diese Frau ist Pocahontas . Sie ist Athene und Hera . Auf diesem zerwühlten ungemachten Bett liegt mit geschlossenen Augen Juliet Capulet . Liegt Blanche Du-Bois . Liegt Scarlett O’Hara . Mit Lippenstift und Eyeliner mache ich Ophelia aus ihr. Marie Antoinette . Im Lauf der nächsten Rundreise des größeren Zeigers um das Zifferblatt des Weckers forme ich Lucrezia Borgia . Unter meinen Fingerspitzen, unter Verwendung von Grundierung und Rouge, entsteht Iocaste . Hier liegt Lady Windermere . Kleopatra schlägt die Augen auf. Helena von Troja ist Fleisch geworden, lächelnd schwingt sie ihre gemeißelten Beine über die Bettkante. Sie gähnt und reckt sich, der Inbegriff aller schönen Frauen der Geschichte.
Meine Stellung ist nicht die einer Malerin, einer Chirurgin oder Bildhauerin, aber ich leiste alle diese Dienste. Meine Berufsbezeichnung: Pygmalion .
Als die Uhr sechs schlägt, hake ich meiner Schöpfung den Hüfthalter zu und verschnüre das Taillenmieder. Mit einer Schulterbewegung lässt sie das Kleid über ihren Kopf gleiten, und ihre Hände streichen den Rock über ihren Hüften glatt.
Mit dem Griff eines Toupierkamms hebe und stopfe ich ihr graues Haar unter den Rand ihrer kastanienbraunen Perücke, und plötzlich sagt Miss Kathie: »Pst.«
Ihre veilchenblauen Augen zucken zum Wecker, und sie sagt: »Hast du auch eben die Klingel gehört?«
Ich lasse einzelne Strähnen verschwinden und schüttle den Kopf. Nein.
Als die Uhr acht schlägt, werden Schuhe an ihre Füße gesteckt. Der weiße Zobel um ihre Schultern drapiert. Ihre Orchideen, kalt aus dem Kühlschrank, sie legt sie in ihren Schoß, sitzt oben an der Treppe und sieht in den Vorsaal hinunter, späht nach der Haustür. Ein Diamantohrring schiebt sich vor, als sie den Kopf neigt, um Schritte draußen auf der Treppe zu vernehmen. Vielleicht das gedämpfte Klopfen eines Herrenhandschuhs an der Tür oder das Läuten der Klingel.
Einen Whiskey später geht Miss Kathie in ihr Boudoir, tritt an den Kamin, und ihre veilchenblauen Augen studieren den Brief, den ich gefälscht habe. Sie nimmt das Blatt und setzt sich damit wieder an die Treppe. Noch einen Whiskey später geht sie ins Boudoir
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