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Diva (DE)

Diva (DE)

Titel: Diva (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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zurück, faltet den Brief und zerreißt ihn. Sie faltet und zerreißt ihn noch einmal, zerreißt ihn noch einmal und wirft die flatternden Fetzen ins Feuer. Die Flammen. Eins meiner Geschöpfe vernichtet ein anderes. Meine unechte Medea oder Lady Macbeth verbrennt meine falsche Liebeserklärung.
    Wahre Liebe ist NICHT unerreichbar. Samstag ersetzt durch Freitag. Wenn Webster Carlton Westward III morgen pünktlich zu seiner Verabredung erscheint, wird es zu spät sein, das gebrochene Herz von heute Abend noch zu heilen.
    Beim dritten Whiskey haben Miss Kathies fiebrige Hände die Orchideen zu Brei zerrieben. Als ich ihr anbiete, noch einen Drink zu holen, strahlt sie übers ganze, von den nassen Bändern ihrer Tränen zerschnittene Gesicht.
    Miss Kathie folgt mir mit Blicken die Treppe hinunter, blinzelt ihre Wimpern trocken und sagt: »Realistisch betrachtet: Was kann ein reizender junger Mann wie Webb schon von einer alten Frau wollen?« Sie betrachtet lächelnd die zerquetschten Orchideen in ihrem Schoß und sagt: »Wie konnte ich nur so dumm sein?«
    Sie ist überhaupt nicht dumm, sage ich. Sie ist Anna Boleyn und Marie Curie .
    Ihre Augen in dieser Szene, so matt und glasig, wie von Haarspray verschmutzte Perlen oder Diamanten. In einer Hand knüllt Miss Kathie die zermalmten Orchideen in ihrer Faust zu einem Knäuel, das sie in ein leeres altmodisches Glas fallen lässt. Sie hält mir das Glas hin, Reste von Whiskey und Orchideen, und ich reiche ihr ein anderes mit Eis und Gin. Die Zobeljacke rutscht ihr von den Schultern und landet auf dem Treppenteppich. Sie war das Kind, das diesen Nachmittag in ihrem Bett geboren wurde, das junge Mädchen, das sich schönmachte, die Frau, die sich hinsetzte und auf ihre neue Liebe wartete … Jetzt ist sie eine alte Schachtel, an einem einzigen Abend ein ganzes Leben älter geworden. Miss Kathie hebt eine Hand, betrachtet ihre runzligen Knöchel, ihren Diamantring, Marquiseschliff. Sie dreht den Diamanten, dass er funkelt, und sagt: »Wie wär’s, wenn wir diesen Augenblick festhalten?« Zur Krypta unter der Kathedrale fahren, meint sie, und diese neuen Falten in den Spiegel kratzen, auf dem sich ihre Sünden und Fehler sammeln. Das geritzte Tagebuch ihres heimlichen Gesichts.
    Sie zieht ihre Beine dicht zu sich heran, drückt die Knie an die Brust. Ihr ganzer Körper ein kompaktes Knäuel wie die ruinierte Faustvoll Blüten.
    Sie wirft den Kopf nach hinten, kippt den Gin und sagt: »Was bin ich nur für ein blöde alte Gans.« Sie lässt das Eis im Glas kreisen und sagt: »Warum fühle ich mich nur immer wie ein Wrack?«
    Ihr Herz, am Boden zerstört. Mein Plan, perfekt aufgegangen.
    Der Rand des Glases, rot beschmiert von ihrem Lippenstift, der runde Rand hat einen roten Abdruck auf ihrem Gesicht hinterlassen und ihre Mundwinkel zu einem grellen Clownsgrinsen nach oben verlängert. Von beiden Augen läuft ihr ein schwarzer Strich Eyeliner über die Wangen. Miss Kathie hebt die Hand, dreht sie und sieht auf die Uhr, die furchtbare Wahrheit, eingefasst in Diamanten und rosa Saphire. Schlechte Nachrichten in erlesener Verpackung. Irgendwo im Inneren des Stadthauses beginnt eine Uhr Mitternacht zu schlagen. Nach dem zwölften Schlag schlägt sie weiter, dreizehn, vierzehn. Es ist später, als es nachts überhaupt werden kann. Beim fünfzehnten Schlag blickt meine Miss Kathie auf, der umwölkte Blick verwirrt von Alkohol.
    Das gibt es gar nicht. Die Uhr, das Bimmeln, siebzehn, achtzehn, das ist die Haustürklingel. Und draußen, als ich die Tür aufmache, wartet hinter einem Armvoll Rosen und Lilien ein Paar hellbrauner Augen.

1. AKT, ACHTE SZENE
     
    Wir eröffnen mit einem Schwenk über den Kamin in Miss Kathies Boudoir und sehen die aufgereihten Hochzeitsfotos und Preise. Überblende zu einem ähnlichen Schwenk über ein Tischchen in ihrem Salon, vollgestellt mit weiteren Trophäen. Überblende zum nächsten Schwenk über die Vitrinen in ihrem Esszimmer. Jede dieser Einstellungen zeigt haufenweise Preise und Trophäen. Plaketten und Medaillen in mit weißem Satin ausgeschlagenen Präsentschatullen wie kleine Wiegen, an jeder Medaille ein weißes Bändchen, die Schatullen alle aufgeklappt. Wie winzige Särge. Überall Pokale aus angelaufenem Silber, mit Gravur: Für Katherine Kenton , zu Ehren ihrer Lebensleistung, Überreicht vom Kritikerkreis Baltimore . Vergoldete Statuetten von der Vereinigung der Kinobesitzer Cleveland . Winzige Statuen von Göttern und Göttinnen,

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