Diva (DE)
Einfrieren der Szene: der Senator als Bräutigam vor der Gemeinde, wie er sein Gelübde ablegt, bevor er ihr statt eines Eherings eine vergoldete Blechtrophäe überreicht.
Kein Wunder, dass um so helle Lampen immer haufenweise vertrocknete Hülsen selbstmörderischer Insekten herumliegen.
»Als Frau strahlt sie Charme und Anmut aus«, sagt der Senator. Seine Stimme schallt durch den Saal. »Als Mensch wird sie immer ein Wunder bleiben.« Mit jedem Wort schwingt er sich höher zu ihr empor, bemächtigt sich ihres Namens und nimmt die enorme Mitgift ihres Ruhms für seine demnächst anstehende Wiederwahl in Anspruch.
Auf der Leinwand im Bühnenhintergrund schwebt das riesige leuchtende Gesicht meiner Miss Kathie in der Rolle von Mrs. Claude Monet , wie sie seine berühmten Seerosen malt. Ihr perfekter Teint stammt von Lilly Daché . Ihre Lippen von Pierre Phillipe .
»Sie ist die Mutter, die wir alle gern gehabt hätten. Die Frau, von der wir träumen. An der sich alle anderen messen«, poliert der Senator vor ihrem Auftritt weiter an Miss Kathies Image herum. Bevor er sie den versammelten Gläubigen präsentiert. Dieser Fremde, den sie überhaupt nicht kennt, kitzelt ihre Fans in einen erwartungsvollen Zustand gedämpfter Raserei, bevor sie zu ihm ins Rampenlicht tritt.
Noch mehr »Dampflob« und »Schleimscheißerei« und »Komplimentkotze«, wie Cholly Knickerbocker zu sagen pflegt.
Alles klingt so viel besser, wenn es aus dem Mund eines Mannes kommt.
Ich halte ein zusammengerolltes Drehbuch umklammert, die einzige Aussicht auf Arbeit, die meiner Miss Kathie seit Monaten angeboten wurde. Ein Horrorstreifen über eine alte Voodoopriesterin, die eine Armee von Zombies erschafft, um die Weltherrschaft zu übernehmen. Am Ende wird die kreischende weibliche Hauptdarstellerin zerstückelt und von wilden Affen gefressen. Lynn Fontanne und Irene Dunne haben dieses Projekt bereits abgelehnt.
Die Trophäe in den Händen des Senators wird nie mehr so hell glänzen wie in diesem Augenblick, kurz bevor sie überreicht wird, während sie noch nicht in Miss Kathies Händen ist. Aus dieser Entfernung sehen der Senator und sie so vollkommen aus, als ob sie einander den Himmel auf Erden versprächen. Senator Phelps Russell Warner ist der Fremde, der ihr sechster »Verflossener« werden möchte. Er wäre in der Tat eine Trophäe, die abgestaubt und poliert zu werden die Mühe wert wäre, bis ans Ende ihrer noch verbleibenden Tage.
Jede Krönung hat etwas Possenhaftes. Man muss schon wahrhaftig eine zahnlose alte Löwin sein, bevor so viele Leute es wagen, einen zu tätscheln. Alle diese Kenneth – Tynan -Billigkopien, die darauf bestehen, dass ihre Meinung irgendetwas zählt. Lächerliche George-Bernard-Shaw -Abziehbilder und Alexander-Woollcott -Imititate. Diese verkrachten Schauspieler und Schreiberlinge, dieses Gesindel, das nie etwas künstlerisch Wertvolles zustande gebracht hat, diese Leute, die jetzt Miss Kathies Schleppe tragen wollen und sich erhoffen, mit ihr in die Unsterblichkeit einzugehen.
Starkes Spitzlicht auf Miss Kathies Gesicht, ihre Reaktion in Nahaufnahme, als die Stimme des Senators im Off verkündet: »Diese Frau war das Beste einer ganzen Epoche. Sie hat neue Wege beschritten, wohin sich niemand zuvor gewagt hatte. Ihr allein verdanken wir denkwürdige Rollen wie die als Mrs. Graf Dracula und Mrs. Präsident Andrew Jackson …«
Hinter ihm laufen Szenen aus der Gene-Krupa -Show und Die Legende des Dschingis Khan . Miss Kathie in Schwarzweiß küsst Bing Crosby auf einer Penthouse-Terrasse mit herrlicher Aussicht auf ein Panoramagemälde der Skyline von Manhattan .
Die hochrote nackte Stirn des Senators leuchtet im Rampenlicht so hell wie die Trophäe. Hoch aufgerichtet steht er da, die Schultern breit, die Lackschuhe dicht nebeneinander. Ein Abklatsch des Oscar in Fleisch und Blut. Über und hinter seinen Ohren weichen seine noch vorhandenen Haare zurück, als wollten sie sich vor dem Publikum verstecken. Es ist zum Erbarmen, wie leicht ein starkes Rampenlicht jede Spur von Alter oder Charakter eines Menschen wegwischen kann.
Und diese rosa Schaufensterpuppe sagt: »Ihre Schönheit wird bis ans Ende der Menschheit im kollektiven Gedächtnis bleiben; ihr Mut und ihre Klugheit stehen für das Beste, was Menschen zu leisten vermögen …«
Dadurch dass er die Zierlichkeit dieser Frau rühmt, wirkt der Senator stärker, edler, großzügiger, liebevoller, größer und dankbarer. Dieser
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