Djihad Paradise: Roman (German Edition)
einmal gerne nach Hause gefahren wäre.
Am nächsten Morgen stürmte Murat aufgeregt aus der Höhle.
»Hamid ist verschwunden! Dieser Drecksack!«, rief er.
Und Hamid blieb verschwunden. Ich war die ganze Nacht wach gewesen. Hätte sich Hamid aus der Höhle gestohlen, hätte ich es als erster bemerkt. Also musste er sich mit den Paschtunen verdrückt haben. Also konnten wir uns die Antwort auf Ahmads Entführung selbst geben. Hamid musste irgendeine Scheiße über Ahmad erzählt haben und wohl deshalb galt Ahmad den Taliban nun als Verräter. Und den Taliban als Verräter zu gelten, das verhieß absolut nichts Gutes.
Doch zwei Wochen später kam es noch schlimmer. Wieder wachte ich nachts von einem merkwürdigen Geräusch auf. Entfernt klang es wie das Summen einer Wespe. Shit! Eine Machay! So nannten die Paschtunen die Predator-Drohnen. Ich weckte Murat. Er lauschte und begann zu zittern. »Verdammt! Die machen uns platt, Abdel. Die machen uns so was von platt!«
»Beruhige dich. Wenn wir nicht aus der Höhle gehen, werden sie uns vielleicht nicht finden«, sagte ich und versuchte, mir selbst zu glauben.
Doch das Surren wurde lauter. Noch lauter. Schien über uns zu sein. Ich schlich zum Höhleneingang und schielte nach draußen. In nur ein paar Hundert Metern Entfernung sah ich sie. Ihren dicken, runden Kopf. Den Zehn-Meter-Horrorrumpf. Die unter den Tragflächen angebrachten Hellfire-Raketen. Und auf einmal zischte etwas durch die Luft und einen Augenblick später tat es einen Schlag, alles wurde rotorange, ich wurde durch die Druckwelle zu Boden geworfen und in meinen Lungen sammelten sich Staub und Kohlepartikel. Noch immer hörte ich das Surren der Machay, aber es wurde leiser. Immer leiser. Doch auf einmal tat es noch einen Schlag, allerdings klang es, als wäre es ein paar Kilometer weit entfernt.
»Verdammt, was war das ?«, fragte Murat.
»Eine MQ-1-Predator«, hustete ich.
Wir standen auf und lauschten auf das Surren der Drohne, aber es war nichts mehr zu hören. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Staubwolke gelegt hatte. Die beiden Lehmhütten, in denen Ehsanulla und der Emir hausten, hatte es mehr oder weniger atomisiert. Vorsichtig traten wir aus dem Höhleneingang und auch die anderen wagten sich aus ihrem Versteck hervor. Wie gelähmt standen wir um das Chaos herum und eine Gänsehaut kroch mir über den Rücken. Einige Stützbalken brannten und ein paar verkohlte Menschenfetzen, bei denen es sich wohl um Ehsanulla und den Emir handelte, lagen herum. Eine Weile sagte keiner was.
»Verfluchte Kuffar«, schrie auf einmal Rasul und ballerte in die Luft.
»Verdammte Scheiße! Hör auf damit! Oder willst du auch zu Hellfire-Hackfleisch verwurstet werden?«, schrie ich ihn an und entriss ihm die Uzi.
»Na, ist doch wahr«, heulte er und ließ sich auf einen Stein sinken.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte Nusrat.
Darauf wusste keiner eine Antwort.
»Hierbleiben können wir jedenfalls nicht. Das ist viel zu gefährlich, wenn die Predator wiederkommt, müssen wir weg sein. Die Waffen sind auch mit hochgegangen. Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als runter in das nächstgelegene Dorf zu ziehen«, schlug ich vor.
»Wahrscheinlich hast du recht«, stimmte Rasul zu.
»Yalla, packt euer Zeug und dann nix wie weg«, rief ich. Die Drohne konnte jederzeit wiederkommen.
In zehn Minuten waren wir fertig. Murat hatte Ahmads IJU-Flagge an seinen Rucksack gebunden.
Der hatte sie ja wohl nicht alle. Ich riss die Fahne herunter und warf sie auf die noch brennenden Balken.
»Hey!! Warum machst du das?«, protestierte Murat.
»Dreimal darfst du nachdenken«, knurrte ich zurück.
»Aber die Typen in den Märtyrervideos haben das auch gemacht!«, rief er.
Ich verdrehte die Augen. »Ja, und genau deswegen sind sie auch tot.«
Dann setzte sich unser kleiner Trupp noch im Schutz der Nacht in Bewegung. Keiner hatte Lust zu reden und alle waren wir ziemlich niedergeschlagen. Das Dorf, aus dem unser Nachschub kam, war drei Stunden entfernt. Doch als wir dort ankamen, gab es dieses Dorf nicht mehr. Es gab nur noch eine schockierte, aufgeregt durcheinanderredende Menschenmenge, die ratlos vor den Ruinen ihrer Häuser stand, einige Tote und schreiende und stöhnende Verletzte. Der Anblick war grauenhaft. Beinstümpfe, mit blutdurchtränkten Lappen umwickelt, Arme ohne Hände, Oberkörper ohne Arme. Übelkeit stieg in mir auf und ich musste mich übergeben. Verdammte Kuffar!
Ein paar von
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