Djihad Paradise: Roman (German Edition)
Halbautomatische Waffen. Vollautomatische Waffen. Smith & Wesson. Uzi. Kalaschnikow. Panzerfäuste. Mörser. Handgranaten. Und man zeigte uns das Waffenlager, dessen Inhalt uns dank der Spenden der Brüder im Westen und in Russland über Mittelsmänner übermittelt worden war, und alles über den Feind, das lehrte man uns auch.
Konkret waren das in Waziristan die USA und die pakistanische Armee. Global waren es der Westen und die Ungläubigen im Allgemeinen.
Und wir lernten alles über die Waffensysteme unseres hiesigen Feindes. Drohnen. MQ-1-Predator-Drohnen und MQ-9-Reaper-Drohnen, dass sie neunhundert PS hatten und fast fünfhundert Kilometer pro Stunde flogen und sechzig Stunden in der Luft bleiben konnten, dass sie über ein hochauflösendes Kamerasystem verfügten, das Autoschilder auf drei Kilometer Entfernung lesen konnte, und ein besonders sensibles Radarsystem und Funkantennen besaßen. Und nicht zu vergessen, dass sie damit ihren Terrorkrieg gegen die Zivilgesellschaft führten. Trotzdem konnte ich es nicht vermeiden, die USA für diese ausgefeilte Technik zu bewundern.
Das Beste an unserer Ausbildung aber war, dass wir tatsächlich auch Kalaschnikows in die Hand gedrückt bekamen und lernten, damit zu schießen. Ein Magazin à dreißig Patronen. Das waren sechshundert Schuss pro Minute. Krass. Schon nach einer Woche konnte ich meine AK-101 blind auseinander- und wieder zusammenbauen.
Nach und nach gewöhnten Murat und ich uns an den strengen Tagesablauf. Und trotz der Strapazen und der ewigen Magenbeschwerden hielten wir durch. Es war das alte Was-einen-nicht-umbringt-Ding. Obwohl wir total geschwächt waren, fühlten wir uns jeden Tag ein wenig härter, stählerner. Jeden Tag mehr wie ein echter Mudjahed. Und so pervers es war, irgendwie wünschte ich mir fast, dass es bald einmal zu einem Zwischenfall kommen würde.
Allah, der Allmächtige, musste meinen Wunsch gehört haben, denn lang mussten wir nicht auf ihn warten. Den Ernstfall. Ich hatte gerade geträumt, dass Schüsse gefallen waren, und war davon aufgewacht. Ich schlug die Augen auf, aber ich hörte die Schüsse noch immer. Ich fuhr hoch und rannte zum Eingang unserer Schlafhöhle. Mein Blick fiel auf einen meiner Brüder, der die Nachtwache hatte übernehmen müssen. Er lag in einer Blutlache und bewegte sich nicht mehr. Mir wurde flau im Magen. Auf einmal bohrte sich etwas Hartes, Kaltes in meine Seite und schob mich aus der Höhle auf das Plateau, wohin auch schon Murat und all meine anderen Brüder und auch Ehsanulla getrieben worden waren.
Wir waren von einer Gruppe bewaffneter Männer umstellt und es waren weder die Amerikaner noch die pakistanische Armee. Es waren Mudjahedin wie wir und sie waren erstaunlich gut ausgerüstet. Verdammt, so was konnte doch nur passieren, wenn die Wache eingeschlafen war, aber Khaled konnte nun keiner mehr fragen. Die Angreifer waren Paschtunen und gaben sich als Arm einer afghanischen Taliban-Gruppierung aus.
Einer der Männer stieß Ehsanulla eine Kalaschnikow in den Rücken.
»Brüder, warum bekämpfen Mudjahedin Mudjahedin?«, fragte Ehsanulla und rang nach Würde.
Der Emir, der Befehlshaber des angeblichen Taliban-Trupps, sagte irgendwas, was ich nicht verstand, und nach kurzem Zögern nickte Ehsanulla. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Ahmad. Die Männer gingen auf ihn zu und fesselten ihn.
»Lasst mich in Ruhe! Was wollt ihr von mir? Lasst mich!«
Einer der Männer verpasste ihm einen Schlag und auf einmal war Ruhe. Ahmads Kopf kippte auf seine Brust. Er war ohnmächtig geworden. Die Männer sagten noch mal irgendwas zu Ehsanulla. Dann zogen sie ab und zerrten den bewusstlosen Ahmad hinter sich her.
Weder Murat noch ich verstanden, was da gerade passierte. Aber wir konnten niemanden hier fragen.
»Geht wieder schlafen!«, herrschte Ehsanulla uns an. »Und du da«, er deutete auf mich, »du übernimmst die Wache von Khaled. Den räumen wir morgen früh weg.«
Obwohl ich hundemüde war, war ich gleichzeitig überwach. Ich glaube, es war die Angst. Bis jetzt war alles eher so etwas wie ein Spiel oder ein Bootcamp für mich gewesen. Aber jetzt, als ich neben der langsam steif werdenden Leiche meines Bruders Khaled hockte, da realisierte ich zum ersten Mal wirklich, dass es nichts von beidem war. Es war Krieg. Wer zum falschen Zeitpunkt schlief, der musste vielleicht sterben. Und dann dachte ich noch Dinge, die waren extrafinster. Genau genommen dachte Julian Engelmann sie, der auf
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