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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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Kinderfotos von Julian. Eine intakte Kleinfamilie und ich ließ mich in dieses vergangene Familienidyll hineinziehen. Manchmal tat es gut zu sehen, dass nicht schon immer alles scheiße war.

Als ich wieder zu mir kam, wusste ich nicht, wo ich war. Ich blickte mich um. Meine Hände und mein linkes Bein waren verbunden und ich lag auf einer Holzliege in einem lehmverputzten Raum. Neben mir stand ein Krug mit Wasser. Als ich versuchte, nach dem Krug zu greifen, brannte es unter dem Verband und es war schwierig, den Krug zu halten. Aber ich war so durstig, dass ich die Zähne zusammenbiss und den Inhalt in einem Zug hinunterstürzte. In diesem Augenblick kam der Sheikh, der unten im Dorf wohnte, in die Hütte.
    »Ah, ich sehe, dir geht es wieder besser«, sagte er. »Das ist gut. Sehr gut.«
    »Wie komme ich hierher?«, fragte ich.
    »Du hast als Einziger den Angriff der Kuffar überlebt. Alhamdulillah hast du ihn überlebt.«
    Ich hatte es also nicht geträumt. Verdammt, Murat war tot. Ich hatte einen ekelhaften Kloß im Hals.
    »Aber bald fährst du nach Hause. Ich habe schon alles vorbereitet und in einer Woche geht es los.«
    Und so hatte ich noch etwas Zeit, alles auf mich wirken zu lassen. Ich war so ein Arsch, wie konnte ich zwei Jahre lang nicht merken, was mit meinem besten Freund los war? Verdammt! Ich betete für ihn, dass er sofort ins Paradies kommen würde. Vielleicht waren seine Wünsche ja nicht halal gewesen, aber es waren ja nur Wünsche. Na ja, bis auf Wien. Aber er war doch trotzdem ein Märtyrer. Und weil ich mir nicht sicher war, ob der Deal Märtyrer gegen eine Nacht mit einem Mann aufging, musste ich heulen, als ich mir Murat in der Hölle vorstellte. Und als ich merkte, dass ich schon wieder begonnen hatte, an Allahs, des Allmächtigen, Gerechtigkeit zu zweifeln, musste ich noch mehr heulen. Was sollte ich noch tun, damit dieser verfluchte Julian Engelmann endlich aus meinem Leben verschwand?
    Nach einer Woche war ich halbwegs wiederhergestellt. Es waren, alhamdulillah, nur leichte Verbrennungen gewesen, und die abgestorbene Haut löste sich ab, aber das würde wieder verschwinden. Nur die Narbe unter meinem Jochbein, die würde bleiben.
    Der Sheikh gab mir noch ein paar Scheine mit auf den Weg. Es war alles vorbereitet. Die Schleuser waren vom Sheikh bezahlt, brachten mich über die pakistanisch-iranische Grenze, übergaben mich im Iran an andere Leute, die mich über die iranisch-türkische Grenze schleusten. In der Türkei bekam ich noch einmal falsche Papiere mit einem Einreisestempel der Türkei, sodass ich ausreisen konnte und ein paar Wochen später stand ich nach anderthalb Jahren wieder auf dem Alex, der mir sehr, sehr irreal vorkam. Und das Alexa war der Gipfel des Unfasslichen. Als ich so auf dem Platz stand, zerfiel ich plötzlich in zwei Hälften. Die Abdel-Jabbar-Shahid-Hälfte verdammte alles, was sie sah und wünschte sich in die Hitze und Kälte und beige Ödnis der Berge zurück. Und die Julian-Engelmann-Arschloch-Hälfte spürte so etwas wie Glück in sich aufsteigen, weil sie wieder zu Hause war, sich auf eine Dusche, einen gut gefüllten Supermarkt freute und insgeheim hoffte, Romea, die ja ganz offenbar noch an ihn dachte, zufällig zu treffen, oder sogar in Gedanken damit spielte, eine baldige Begegnung wie einen höchst zufälligen Zufall aussehen zu lassen. Und für Julian Engelmann waren die letzten anderthalb Jahre auf einmal so weit weg, dass es eigentlich gar nicht hatte real sein können. Das Dumme war, dass gerade die Julian-Engelmann-Hälfte mehr so ein Dreiviertel meiner Person war und dass sich auf einmal alles sträubte, in das enge Zimmer in der Bruderschaft zurückzukehren. Ich fragte mich, was wohl wäre, wenn ich jetzt einfach gehen würde, Romea anrief und mit ihr abhaute. Einfach als Romea und Julian und nicht als Abdel und Shania. Und während ich mir noch ein sehr, sehr unwahrscheinliches schlingpflanzengrünes Glück ausmalte, sagte auf einmal eine Stimme, die ich kannte: »As-salamu-aleikum, Bruder!«
    Es war Saad, ausgerechnet Saad.
    »Aleikum as-salam«, antwortete ich und damit waren schlagartig alle weiteren Dummheiten gestorben, denn Saads Auftauchen stieß mich automatisch in Abdel Jabbar zurück.
    »Komm! Die anderen warten schon auf dich, um deine Rückkehr zu feiern.«
    Ich ging mit. Natürlich ging ich mit. Aber manchmal ist es verdammt schwer, an Zufälle zu glauben.

»Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen.«
   Platon

Es war

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