Djihad Paradise: Roman (German Edition)
seiner Verpuppung gekrochen war. Der an allem rüttelte und krittelte, was mir wichtig geworden war. Er wollte nicht in den Kampf ziehen. Er hatte Zweifel, denn seine Freundin hatte ihn verlassen und sein bester Freund war an einem faustgroßen Loch im Bauch gestorben. Wie konnte Allah, der Allmächtige, es zulassen, dass das so war? Wie konnte Allah, der Allmächtige, es zulassen, dass Musik haram war? Wie konnte Allah, der Allmächtige, es zulassen, dass von Julian Engelmann fast nur noch Abdel Jabbar übrig geblieben war? Ein Fanatiker, der nichts mehr zu verlieren hatte, der alles hasste, was er einmal geliebt hatte? Und vor allem: Wie konnte Allah, der Allmächtige, es zulassen, dass Abdel Jabbar, der zurückgekehrte Mudjahed, der künftige Shahid, dachte, wie nur Julian Engelmann dachte, ohne ihn einfach mit einem Blitz zu erschlagen?
Auf einmal stand der Imam neben mir. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt.
»Du wirkst bedrückt, Abdel Jabbar. Wie kannst du an deinem großen Tag so unzufrieden sein?«, fragte er.
Ja, wie konnte ich? Es war gerade nicht zu steuern. Trotzdem schämte ich mich. Ich war unwürdig.
»Sieh mal, mit den irdischen Dingen verhält es sich so: Solange du auf Erden bist, brauchst du sie. Aber du wirst nicht mehr lange auf Erden sein, also lass sie los.« Damit verschwand er wieder.
Ich fühlte mich durchschaut. Wahrscheinlich hatte er mit den irdischen Dingen Romea gemeint. Ich musste mich wirklich ein wenig zusammenreißen. Das war alles des Teufels, was mir gerade im Kopf herumging. Ich war so nah am Ziel. Vielleicht nur wenige Tage noch und ich müsste mir niemals mehr Sorgen machen. Nie wieder würde ich unglücklich sein oder irgendetwas vermissen. Und ich, ich heulte innerlich herum wie ein altes Weib. Trotzdem ging ich kurz nach draußen, um ein wenig Luft zu schnappen. Die kühle Nachtluft tat gut. Es war, als würde sie Minute für Minute meine schweren Gedanken vertreiben.
In diesem Augenblick kam Shirin um die Ecke. »Ich freue mich so«, sagte sie. »Ich freue mich so, dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist.«
Ich sah sie fragend an. »Wie ist es denn gekommen?«
»Na, dass jeder den Weg gefunden hat, der zu ihm passt.«
»Jeder? Wer hat denn noch seinen Weg gefunden?« Misstrauisch geworden, starrte ich sie an.
»Ach, weißt du das noch gar nicht? Shania ist vom Glauben abgefallen. Und damit nicht genug, sie hat auch einen neuen Freund. Einen Schwarzen. Er ist Profibasketballer.«
Mir wurde kurz schwarz vor Augen. Oder eher braun. Mir wurde farbiger-Profibasketballer-braun. Wie konnte sie? Sie war doch noch immer meine Frau! Natürlich konnte sie. Sie konnte. Und wie sie konnte. Sie hat doch noch nie irgendwas anderes getan als nur das, was sie wollte. Das war Schirk. Ich riss mich zusammen und zwang mich, Shirin anzublicken.
»Und was ist jetzt daran so schön?«, fragte ich sie.
Ungerührt sprach sie weiter. »Dass du, du es geschafft hast. Du hast deinen Weg gefunden und bald auch Djannah. Ich freue mich so für dich!«, sagte sie und umarmte mich. Schwesterlich, versteht sich. Dann verschwand sie im Frauentrakt und mit mir geschah so etwas wie mit Moses auf dem Berg Sinai. Ich hatte so eine Art Erleuchtung. Allah, der Allmächtige, er erschlug nicht Abdel Jabbar, sondern er merzte den gotteslästerlichen Julian Engelmann einfach aus. Und in diesem Moment konnte ich noch nicht einmal behaupten, dass es mir sonderlich leid um ihn tat. Plötzlich war alles ganz einfach.
Und dann begann das Warten. Ich wartete und wartete. Wenn du innerlich schon Abschied genommen hast und der Abschied nicht kommt, dann wirst du ungeduldig. Djannah lag zum Greifen nah und ich hatte nur noch eine einzige Mission, aber die Nachricht des Sheikh ließ auf sich warten. Drei Monate ließ sie auf sich warten.
Doch eines Tages tauchte Saad auf. Warum musste es immer dieser Saad sein? Ich konnte es nicht so richtig erklären, warum ich ihn nicht mochte. Aber eines war mal sicher: Ich mochte ihn nicht. Saad gehörte zu diesen Typen, die immer dann auftauchten, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnete. Der gleiche Typ wie Hamid. Ein Schleicher, ein Spion, ein Spitzel. Einer, der sich aus allem raushielt, aber immer alles wusste. Und gleichzeitig war er ein Handlanger. Die Hand, die das ausführte, womit sich sein Boss niemals die Hände beschmutzen würde. Jedenfalls kam Saad und wieder war er es, der mehr wusste als ich. Zum Beispiel wusste er, dass meine Mission bald anstand. Genau
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