Djihad Paradise: Roman (German Edition)
unglaublicher Geschwindigkeit näherte sich uns eine Machay. Wir rannten los, aber es war zu spät, denn während wir noch rannten, schlug die Bombe schon ein. Die Druckwelle schleuderte mich zu Boden, ein heißer Luftzug, der mir fast das Gesicht versengte, Staub und Gestank, sodass ich fast keine Luft mehr bekam. Meine Augen brannten. Splitter und Steine und alles Mögliche flogen über mich hinweg. Es war furchtbar. Es war schwarz. Ich hatte es geschafft. Ich war tot.
Als ich die Augen wieder aufschlug, dachte ich zuerst, ich wäre im Paradies. Aber wenn das das Paradies war, war es das abscheulichste Paradies, das man sich überhaupt nur vorstellen konnte. Was ich sah, was ich hörte, das war eher so etwas wie die Hölle. Schmerzensschreie, Chaos, Zerstörung. Schwarz. Alles wurde wieder schwarz.
Keine Ahnung, wie lange ich so herumgelegen hatte, aber irgendwann kam ich wieder zu mir. Alles war still. Totenstill. Die Welt hatte den Atem angehalten, war stehengeblieben, war von einer Riesendrohne pulverisiert und ins Weltall geschleudert worden. Ich versuchte, meine Arme und Beine zu bewegen und stellte überrascht fest, dass ich unverletzt war. Unsicher stand ich auf und blickte um mich. Unser Lager war ausgelöscht. Verdammte Kuffar! Die hatten alles plattgemacht. Fast alle meine Brüder waren tot. Murat! Panisch blickte ich mich nach Murat um. Ich konnte ihn nirgends sehen. Doch dann hörte ich Schreie. Ich rannte auf das Geräusch zu. Murat. Es war Murat! Alhamdulillah, er lebte, aber er blutete. Und wie er blutete. Shit.
»Murat!« Ich riss mir mein Hemd vom Leib und dann sah ich das Loch, das in seinem Bauch war und aus dem seine Eingeweide hervorquollen. Mir wurde übel. Ich versuchte, mit meinem Hemd die Blutung zu stillen.
»Lass, Bruder. Es … es ist zu spät.« Er hustete und Blut kaum aus seinem Mund. »Wenn du ins Paradies kommst, bitte hol mich aus der Hölle, Bruder!«
»Hölle! Was redest du da? Wenn du stirbst, dann kommst du als Märtyrer ins Paradies. Aber du stirbst nicht. Du darfst nicht sterben, hörst du, Murat?«
»Abdel?«
»Ja?«
»Doch, ich werde in die Hölle kommen. Weißt du noch? Der Club in Wien. Der Typ und ich … wir …« Er hustete noch einmal ein wenig Blut. »Abdel, ich … ich liebe dich. Und … und deswegen musst du mich aus der Hölle h…«, sagte er und seine Augen wurden starr.
»Du darfst nicht sterben! Murat! Verdammt, bleib hier, du Arschloch!«, schrie ich ihn an. Ich glaube, ich habe ihn geschüttelt und beschworen und geschlagen, weil nicht sein durfte, was gerade geschehen war. »Murat!« Und dann wurde noch einmal alles schwarz.
Ein paar Wochen nachdem ich Julians Vater besucht hatte, klingelte mein Handy und zeigte eine mir unbekannte Nummer. Verwundert meldete ich mich.
»Romea Achenbach?«
»Hallo, Romea, Gott sei Dank, dass ich dich gleich erreiche«, sprach eine Stimme, die mir nur sehr entfernt bekannt vorkam und die sehr, sehr aufgeregt klang. »Romea, Julian hat sich gemeldet.«
Mein Herz fing an, wild herumzugaloppieren und ich verfluchte es sofort dafür.
»Wenn ich ehrlich bin, so richtig konnte ich dir deine Geschichte bis jetzt nicht abkaufen. Entschuldige, aber es stimmt. Alles, was du gesagt hast, stimmt. Er ist tatsächlich in Pakistan und braucht dringend Geld. Er sagt, er muss unbedingt etwas zu essen kaufen und Medikamente, und du, du hast doch gesagt, dass …«
»Ja, natürlich«, unterbrach ich ihn. »Wie viel braucht er denn?«
»Fünfhundert. Also nur, wenn das möglich ist.«
»Ja. Klar, das geht schon. Ich bringe es Ihnen morgen vorbei. Gegen halb sechs am Abend, wäre das o.k.?«
»Ja, natürlich. Ich danke dir.«
»Gerne, Herr Engelmann. Dann bis morgen.« Ich legte auf. Meine Hände zitterten. Alhamdulillah, Julian lebte.
Am nächsten Abend ging ich zuerst bei der Bank vorbei und stand dann wieder vor der Engelmann’schen Wohnung. Diesmal dauerte es keine zehn Sekunden, bis Julians Vater die Tür aufriss.
»Komm rein, komm rein, Romea.«
Heute sah es ganz anders aus als neulich. Julians Vater hatte tatsächlich aufgeräumt und die Jalousien nach oben gezogen.
»Willst du dich nicht setzen?«, fragte er. Ich war mir nicht sicher, ob ich das wollte, aber Julians Vater schien es ein Bedürfnis zu sein. Also setzte ich mich. Eigentlich fühlte ich mich ganz wohl in seiner Nähe. Ein ganz kleines bisschen war es, wie in Julians Nähe zu sein.
Julians Vater hatte ein altes Album hervorgekramt und zeigte mir
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