Djihad Paradise: Roman (German Edition)
ereifert.
»Du wirst es schon überleben«, feixte ich.
»An dein Geschnarche hatte ich mich wenigstens schon gewöhnt«, sagte Murat.
»Du wirst mir mein Glück doch gönnen, oder? Hey, Alter, sind wir beste Freunde oder sind wir beste Freunde?«, entgegnete ich.
Murat warf mir einen langen Blick zu, den ich irgendwie nicht deuten konnte. Fragend sah ich ihn an und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er endlich antwortete: »Ja.« Er seufzte. »Klar Mann. Freunde … Wir sind Freunde.«
Ich hielt ihm die Hand hin und nach kurzem Zögern schlug er ein. Dann packte er seinen Kram und räumte das Feld für Romea.
Und jetzt, endlich, war es so weit. Ich hockte auf der Bettkante und wartete und wartete. Echt seltsam, aber irgendwie war ich total aufgeregt, so als wäre Romea eine Fremde und nicht die Frau, mit der ich schon seit mehr als einem guten Jahr zusammen war.
Und als dann endlich die Tür aufging, da war es tatsächlich fast ein wenig so, als käme eine Fremde herein. Ihre Henna-Tattoos waren so ungewohnt und irgendwie hatte ich mich noch immer nicht an ihr Kopftuch gewöhnt. Shirin hatte sie begleitet und umarmte sie nun. Dann entfernte sie sich und Romea blieb im Türrahmen stehen, um ihren Blick durch den Raum schweifen zu lassen.
Ich konnte gar nichts dagegen tun, aber mein Herz machte einen kleinen Aufstand in meinem Brustkasten und als ich mich erhob, um zu ihr zu gehen, hatte ich Wackelpuddingbeine. Und dann, dann standen wir uns gegenüber, die Gewesenen, Romea und Julian. Wir standen uns gegenüber und irgendwas war anders, war neu, war verstörend. Ich hätte gerne Romea gerufen, aber irgendwie war es mir nicht möglich, diese Frau so zu nennen. Konnte man sich in zwei Monaten so stark verändern?
Wir starrten uns an. Aber dann hielt ich es nicht mehr aus und vorsichtig streifte ich Romea das Kopftuch ab. Ihre Mähne fiel darunter hervor und Romea lächelte.
»Ich fürchte, es wird mir am Anfang schwerfallen, dich Abdel zu nennen«, sagte sie.
Und ich, ich entgegnete: »Ich … glaube, ich kann dich nicht mehr Romea nennen.«
Sie blickte mich fragend an und ich lachte.
»Schau nicht so entsetzt, das ist doch eigentlich gut so, oder? Wollten wir nicht zu jemand anderem werden?«
Shania lächelte und nickte. »Ja, Jul… Abdel.«
Sie schob ihre Hände unter mein Hemd und dann war alles klar. Shania und Abdel, das war die fetteste Lovestory, die diese Gemeinde wohl jemals gesehen hatte.
Und in unserer Hochzeitsnacht fiel auch noch der letzte Rest von Romea Achenbach von mir ab und Abdel machte mich zu Shania und nur zu Shania. Und ich kann nicht behaupten, dass es mir leidgetan hätte um Romea. Ich konnte gut ohne sie leben. Echt. Ich hatte meinen Platz gefunden und lebte jetzt ein Leben neben dem Mann, den ich liebte und mit den Leuten, die immer für mich da waren. Ja, es war ein kleines Leben, ein ruhiges, aber wozu sollte ich die Welt erobern, wenn ich mich hier wohlfühlte?
Und Abdel, das war der wundervollste Mann, den man sich überhaupt vorstellen konnte. Er war zwar ständig mit den anderen Männern zusammen, mit denen er wichtige Dinge besprach, aber wenn er da war, dann war er die Zärtlichkeit in Person.
Seitdem ich die Schahada gesprochen hatte, hing ich dauerhaft an dieser Nabelschnur allen Lebens, ich konnte Allah fühlen, jeden Augenblick spürte ich seine Existenz und das erfüllte meine. Bis in die letzte Zelle erfüllte er mich. Auf einmal ergab alles einen Sinn, auf einmal konnte ich die Welt, die wirkliche Welt, sehen. Klar und schön stand sie vor mir. Und auch meine Gedanken waren so gebirgsbachklar, so diamantenrein und gleichzeitig so rasierklingenscharf, dass ich allen Versuchungen widerstand. Jetzt konnte ich nur noch darüber lachen, wie manipulierbar ich gewesen war. Wie ich der billigen Oberfläche dieser Welt so hatte verfallen können. Endlich hatte ich meine Rolle kennengelernt. Ich war stark, aber anders stark, als ich früher gedacht hatte. Jetzt erst war ich wirklich klug und stolz darauf, eine Muslima zu sein. Seltsam, ich war noch gar nicht so lange hier, aber mein altes Leben war schon so weit weg, dass es mir fast schon so vorkam, als hätte ich es nie gelebt.
Ich ging echt auf in meiner Rolle. Was gewesen war, das war so weit weg. In eine unvorstellbar ferne Vergangenheit gerückt. Alle Verbindungen gekappt. Over.
Doch dann, eines Tages, etwa drei Monate nach der Hochzeit, kam Zihan, mein Wali, zu mir. »Da draußen stehen Leute, die
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