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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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war ich noch ein Kind gewesen. Tom hing vor dem Fernseher und da krachte dieses Passagierflugzeug in den einen Tower des World Trade Centers. Mit dem Rest der Welt hielten wir den Atem an. Tom hatte sich die Augen gerieben und gesagt: »Das glaube ich jetzt nicht.«
    Das Flugzeug hatte ein klaffendes Loch in die Haut des Gebäudes gerissen. Tyrannosaurus zerfleischt den Brachiosaurus. So sah das für mich aus. Damals, als ich eine Phase hatte, in der ich alles in Dinosauriern maß. Und dann kam dieser Rauch aus dem Loch und eine Feuersäule, und ich weiß noch, wie mir der Atem stockte, weil Tom und Mutsch ihren Atem angehalten hatten. Natürlich habe ich das damals nicht verstanden, was ich da sah. Kinder können so was auch nicht kapieren. Was sie aber schnallen, ist, wenn ihre Erzeuger es mit der Angst zu tun kriegen. Und ich bekam eine Gänsehaut und ich fürchtete mich, weil Tom und Mutsch sich fürchteten. Und trotzdem konnte ich nicht wegsehen. Aus dem Turm qualmte es. Der Turm, ein gigantisches Krematorium, das seine schwarze, fette Rauchschwade wie einen Trauerflor über New York wehen ließ. New York schwieg das Schweigen der Fassungslosigkeit und mit der Stadt schwieg die Welt. Ihr Herzschlag hatte für ein paar Sekunden ausgesetzt.
    Aber als kurze Zeit später das zweite Flugzeug etwas tiefer in den zweiten Twin Tower krachte und die orangefarbene Feuerwolke sich aufblähte und in den Himmel emporstieg, da schrie New York auf. Die ganze Welt schrie auf. In Panik schrie sie auf. Das war kein Unfall. Das war ein Angriff. Das war die Apokalypse.
    Und noch bevor die ersten Trümmer auf das Dach des Marriotts hagelten, schlugen die ersten Körper in ihm ein. Und dann sackte der Turm in sich zusammen und mit ihm ging die ganze Welt in die Knie. Und als auch noch der zweite Turm eingestürzt war, hatte Lower Manhattan, hatte die Welt, eine Wunde, die nicht mehr verheilte.
    »Das hat die CIA selbst gemacht«, rief einer der Jungs.
    »Gar nicht wahr, da steckt das FBI dahinter!«
    »Nein, die Juden!«
    »Ey, bist du bescheuert? Das hat Al-Qaida gemacht«, schrie ein anderer und sprang auf. Die vier prügelten sich, bis Blut floss. Die Welt hatte eine Wunde …
    Und während die Jungs sich weiter das Leben schwer machten, starrte ich auf das Standbild der verkohlten, verbogenen Stahlträger, die in den mittlerweile wieder blau gewordenen Himmel ragten, und wusste nicht, wem ich glauben sollte. Ich konnte meinen Blick einfach nicht von diesem Skelett der Überheblichkeit lösen. Ich hatte diesen Anblick schon als Kind geliebt. Endzeit. Die Ästhetik des Hässlichen. Die Schönheit des Morbiden. Und ich dachte, wenn das wirklich Al-Qaida war, dann hatten sie doch damit fast so etwas wie Kunst geschaffen ...
    »Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Shania.
    Nein.
    »Was?«
    »Arabisch. Lass uns Arabisch lernen.«
    Eigentlich hatte ich keine Lust dazu. Ich war einfach sprachunbegabt. Und lernfaul noch dazu. War halt so. Aber Shanias Aktionismus konnte ich mich gerade nicht entziehen.
    »Wir müssen zum Imam gehen und ihn fragen.«
    Ich seufzte.
    »Ja, lass uns den Imam fragen.« Den Imam fragen. Neuerdings wollte Shania dauernd den Imam fragen. Wahrscheinlich hatte sie recht, denn der Imam wusste natürlich alles viel besser und Shania wollte auf keinen Fall etwas falsch machen. Vermutlich hatte sie inzwischen schon viel mehr Punkte für das Paradies gesammelt als ich. Und das, wo sie doch viel später mit dem Islam angefangen hatte. Aber wenn sie eine Sache in die Hand nahm, dann richtig.
    Also gingen wir zu Mustafa Metwally und fragten, wo wir gutes Hocharabisch lernen konnten.
    »Das ist gut. Sehr gut, dass du die Sprache des Korans lernen willst, Abdel. In Alexandria gibt es eine ganz ausgezeichnete Sprachschule«, sagte er zu mir und ignorierte Shania.
    »Gibt es denn eine Möglichkeit, dass wir diese Schule irgendwann besuchen können?«, fragte Shania.
    Der Imam warf ihr einen seiner flackernden Blicke zu. Scheinbar war er überhaupt nicht erfreut über ihren Eifer. »Für dich nicht. Du kannst hier mit den Frauen Arabisch lernen.«
    Shania wollte protestieren, das sah ich genau, aber sie hielt sich zurück und schlug die Augen nieder. Der Imam wandte sich wieder mir zu. »Gut, sehr gut. Du wirst als Vorbild für die anderen zurückkehren. Ich werde das regeln. Warte noch einen Augenblick.« Dann griff er zum Handy und wählte eine ziemlich lange Nummer. »Salam!«, sagte er und dann sprach er noch jede

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