Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
Situation. Doch taten die Drinks der ›Schwedenschanze‹ ihr Übriges. Die ganzen Aufregungen der Nacht im Bunker und dazu die dauernde Sorge, ob es überhaupt einen Ausweg aus diesem düsteren Gefängnis gab, musste sie, auch wenn nur kurz, entfliehen.
Die erste Zeit hatten die Frauen nach einem anderen Ausgang gesucht, waren aber – wie zu erwarten – nur auf weitere verschlossene Türen gestoßen. Später hatten sie den Generator ausgeschaltet. Die Luft wurde durch die Abgase zu schlecht. Die Kopplung mit der alten Entlüftungsanlage funktionierte eben doch nur sehr unzureichend. Außerdem wollten sie nicht unnötig viel Benzin verschwenden. Wer weiß, wofür sie es später verwenden konnten.
»Nun? Wie lange?«, drängte Gabriele.
Sina knipste ihre Taschenlampe an, schaute auf die Armbanduhr. »Viel zu lange, Gabi, viel zu lange. Stunden!«
Gabriele reagierte scheinbar gelassen: »Stunden? Mir kommt es vor, als wären es Tage«, sagte sie matt.
»Wie geht’s denn deinem Magen?«, erkundigte sich Sina und suchte mit dem schwächer werdenden Strahl ihrer Lampe nach dem Generator.
»So leidlich. Aber immerhin: Der Rausch ist weg. Und …« Sie legte die Hand auf ihren Magen. »Ich glaube, ich habe Hunger.«
Sina ignorierte diese Äußerung, machte sich stattdessen wieder an der Anlassschnur zu schaffen. Drei kräftige Züge, und das beruhigend gleichmäßige Tuckern des Generators setzte ein. Das Licht flammte auf. Beiläufig griff Sina in ihre Jackentasche und förderte einen Schokoriegel zutage. Sie reichte ihn Gabi. »Ist mein letzter. Genieß ihn.«
Gabriele griff dankbar zu. Sie wickelte die Süßigkeit aus, wollte hineinbeißen, aber überlegte es sich dann anders. Sie brach den Riegel in der Mitte durch und gab die Hälfte an Sina zurück.
Sina nahm Gabis Anflug von Uneigennützigkeit anerkennend zur Kenntnis und biss herzhaft hinein. Die beiden Frauen verließen den Saal und gingen wieder zur Tür, die ihnen den Ausgang verwehrte.
Sina betastete das Material und fuhr mit ihren Fingern über den Stahl. Dann, als hätte sie eine plötzliche Wut gepackt, sauste ihre Faust donnernd auf das Metall. »Mist! Großer Mist.« Und in etwas milderem Tonfall: »Weißt du – das erinnert mich an eine ähnlich verzwickte Lage im Urlaub. Als ich mit Klaus letztes Jahr in der Bretagne war, sind wir über irgendwelche Schotterpisten durch gottverlassene Gegenden gefahren. Über Wege, die in keiner Karte eingezeichnet waren.« Sina musste bei ihren Erinnerungen unwillkürlich lächeln. »Und – wie’s der Teufel will – nach ’ner Rast mitten in der Pampa wollte der Motor nicht mehr anspringen. War damals noch mein alter Polo. Du weißt ja, dass er immer mal Schwierigkeiten gemacht hat. Aber in so einer Einöde – zu ärgerlich!«
»Und?«, fragte Gabriele eher teilnahmslos. »Was habt ihr gemacht? Den Pannendienst gerufen?«
Sina wendete sich erneut der Tür zu, begab sich langsam in die Hocke und betastete die Scharniere. »Pannendienst? Wie das? Es war weit und breit keine Telefonzelle in Sicht!«
Halbwegs interessiert, ließ sich Gabriele neben Sina nieder: »Also?«
Sina gab auf, die Tür weiter zu betasten, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken an den Stahl. »Wir haben gar nichts gemacht.«
Gabi sah sie verständnislos an.
»Als wir total genervt waren«, setzte Sina lapidar fort, »habe ich die Zündung einfach noch einmal ausprobiert, und die Kiste sprang an.«
Gabriele richtete sich brüsk auf und warf Sina einen vorwurfsvollen Blick zu. »Na toll! Du meinst, so ein Glück werden wir beide auch haben?« Sie ging einige Treppenstufen hinab, setzte sich ermattet hin.
Sina folgte ihr. »Ein solches Glück vielleicht nicht. Aber sieh es mal realistisch: Diese Männer werden zurückkommen. Wenn wir Pech haben, entdecken sie uns. Andererseits – wenn wir ein bisschen aufpassen, könnten wir ihnen leicht entwischen. In diesem Labyrinth gibt es genug Verstecke, und wenn die Tür erst einmal offen ist …« Sina deutete mit dem Daumen nach oben, »… dann sind wir im Nu draußen. Wir haben immerhin einen ziemlich unschlagbaren Trumpf in der Hand: Die wissen offensichtlich nicht, dass wir uns hier unten herumtreiben. Sonst hätten sie sich anders verhalten und uns gezielt gesucht. Aber so, wie der Fall liegt, werden sie uns keine Steine in den Weg legen. Wenn die Tür also …«
»Wenn! Ja, wenn!«, unterbrach Gabriele ruppig. »Wenn dein Suff und deine fixen Ideen uns nicht hier
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