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Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen

Titel: Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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hereingebracht hätten, …«
    Sina fiel ihr ins Wort: »Du hast mindestens genauso viel getrunken wie ich! Wer musste sich denn übergeben? Ich oder du? Spiel gefälligst nicht das Unschuldslamm! Und überhaupt: Ich soll uns das eingebrockt haben? Ich?« Sina stand auf. Verärgert fuhr sie ihre Freundin an: »Wer ist mit dem Schraubenschlüssel zurück in den Bunker gerannt, hä? Ich vielleicht? Und wer war denn nicht aufzuhalten, obwohl eine Horde unbekannter Männer direkt neben uns herumgegeisterte?«
    Gabriele drehte auf: »Das wäre alles nicht passiert, wenn du nicht diese Flausen im Kopf gehabt hättest!« Sie lachte bitter und fügte verächtlich hinzu: »Von wegen Satelliten! Und Raketen! So ein Unsinn!«
    »Weißt du, was ich Unsinn nenne? In diesem Betonsarg auf Jagd nach irgendwelchen vermeintlichen Kunstschätzen zu gehen. Das nenn ich Unsinn!«
    »Vermeintlich?« Gabis Gesicht färbte sich glutrot vor Wut. »Du hast keine Ahnung, was du für einen Unsinn von dir gibst! Es geht nicht um Belanglosigkeiten. Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was im Krieg alles verloren gegangen ist, welche ungeheuren Kunstschätze nie wieder aufgetaucht sind? Nur ein lächerlicher Bruchteil ist in den letzten 50 Jahren gefunden worden.« Gabriele redete sich in Rage: »El Grecos Meisterwerk ›Johannes der Täufer‹ aus der berühmten Köhler-Sammlung, eine Handvoll Schinkels aus der Nationalgalerie Berlin und drei ansehnliche Renoirs – ja, die sind wieder aufgetaucht und verstauben derzeit im Moskauer Puschkin-Museum. Aber so vieles andere, Sina, Hunderttausende andere Kostbarkeiten, die in den Kriegswirren verschollen sind, denen ist noch keiner auf die Spur gekommen.«
    Sina fasste sich provokativ an den Kopf. »Geht diese Leier wieder los? Wenn ich das schon höre: Renoir, Schinkel, El Greco! Ja, Gabi, das sind Meister! Nach ein paar Ölschinken von denen würde ich liebend gern mitsuchen. Und mich dafür meinetwegen auch ein paar Stunden in einen klammen Bunker einsperren lassen. Aber doch nicht wegen dieser Van Meers. Nicht wegen ein paar lausigen Bildern von diesem Typen. Diese Pinseleien locken heute wahrscheinlich eh niemanden mehr hinterm Ofen vor. Sollen sie verschimmeln, hier unten!« Und leiser: »Wenn sie überhaupt hier sind – wenn sich nicht alles als reines Hirngespinst der unfehlbaren Gabi Dobermann herausstellt.«
    Gabi holte tief Luft. »Ver-meer! Er heißt Vermeer!« Herablassend fügte sie hinzu: »Wer nicht einmal den Schimmer einer Ahnung von Kunst hat, sollte sich mit solchen Äußerungen zurückhalten! Das war unüberlegt von dir. Damit hast du dir selbst ein Armutszeugnis ausgestellt.«
    »Vorsicht, Vorsicht!«, drohte Sina. »Du brauchst mich noch, wenn du aus dieser Gruft rauskommen willst. Und gib bloß nicht so an mit deinem angeblichen Sachverstand. Welcher vernünftige Mensch hängt sich genau die Bilder ins Wohnzimmer, die deinen verkorksten Idealen entsprechen?«
    Gabriele stand auf und war gekränkt.
    Doch Sina setzte noch einen drauf: »Es muss ja nicht jeder den Geschmack von Göring teilen, oder?« Sie stapfte wütend davon.
    Gabriele biss sich auf die Lippen. Sie ging einige Schritte aufgebracht umher. Mit den Fußspitzen stieß sie einen verrotteten Blechstreifen beiseite, der auf dem Boden herumlag. Sie griff nach ihrem Schraubenschlüssel, den sie in der Nähe des Ausgangs abgelegt hatte. Mit grimmigem Gesichtsausdruck drehte sie sich der Stahltür zu. Das Werkzeug an der Spalte am unteren Rand der Tür ansetzend versuchte sie, die schwere Tür auszuhebeln. Aber Gabriele rutschte ab. Einmal, zweimal, immer wieder. Sie versetzte der Tür einen wütenden Tritt und warf den Schraubenschlüssel an die kahle Bunkerwand.
    Gabriele war verzweifelt. Nein, nicht verzweifelt – es war eher eine Art Ratlosigkeit. Ratlosigkeit, die sich mit dem Zorn auf ihre aufmüpfige Begleiterin paarte. Gabriele wollte sich eben wieder auf eine Treppenstufe setzen und sich ihren düsteren Gedanken hingeben, da fiel ihr Blick erneut auf den Schraubenschlüssel. Ihr kam eine neue Idee. Sie hob das Werkzeug auf und wog es prüfend in ihrer Hand. Mit der anderen fischte sie einen zerknitterten Zettel aus der Hosentasche: der kopierte Lageplan, die Orientierungshilfe für ihren Weg durch das unterirdische Labyrinth. Sie entfaltete ihn hastig, strich ihn mit fahrigen Bewegungen glatt. Mit ihrem Finger suchte sie nach dem Kreuz, das den mutmaßlichen Lagerplatz ihrer Kunstschätze markierte. Sie

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