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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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Vögel. Selevan hasste die Vorstellung, ein Tier zu überfahren, nicht wegen des schlechten Gewissens, das er verspüren würde, wenn er ein Leben beendete, sondern wegen der Unannehmlichkeiten, die dies mit sich brächte. Er würde anhalten müssen, und er verabscheute es anzuhalten, wenn er einmal einen Kurs eingeschlagen hatte. In diesem Fall führte sein Kurs ihn hinüber nach Casvelyn zu dem Surfshop, wo seine Enkelin arbeitete. Er wollte derjenige sein, der Tammy die Nachricht überbrachte.
    Als er in die Stadt kam, parkte er am Kai, die Nase seines altersschwachen Landrovers auf den Casvelyn Canal gerichtet, einen schmalen Wasserlauf, der früher einmal Holsworthy und Launceston mit dem Meer verbunden hatte, heute aber nur noch sieben Meilen landeinwärts mäandrierte, ehe er abrupt endete wie ein unterbrochener Gedanke. Selevan hatte auf der falschen Seite angehalten; das Stadtzentrum und der Surfshop befanden sich am gegenüberliegenden Ufer, aber dort drüben gab es keine Parkplätze, ganz gleich zu welcher Jahreszeit. Außerdem kam der kurze Spaziergang ihm gelegen. Das Wetter und die Jahreszeit waren ihm egal. Auf dem Weg die halbmondförmige Straße entlang, die den südwestlichen Stadtrand markierte, würde er Zeit zum Nachdenken haben. Er musste sich eine Strategie zurechtlegen, wie er die Neuigkeiten wohldosierte und gleichzeitig ihre Reaktion darauf ablesen konnte. Denn was Tammy war und was Tammy zu sein behauptete, stand nach Selevan Penrules Meinung in krassem Gegensatz zueinander. Das war ihr nur noch nicht bewusst.
    Als er ausstieg, nickte er ein paar Fischern zu, die im Regen zusammenstanden und rauchten, ihre Boote am Kai vertäut. Sie waren durch die Kanalschleuse am entlegenen Ende des Kais vom Meer hereingekommen, und sie sahen so ganz anders aus als die Boote und Bootsführer, die mit Beginn des Sommers nach Casvelyn kommen würden. Selevan zog diese Gruppe hier eindeutig vor. Sicher, er verdiente sein Auskommen mit dem Fremdenverkehr, aber das musste ihm ja nicht gefallen.
    Er ging in Richtung Stadtzentrum, vorbei an einer Reihe Läden. Er machte bei Jill's Juices halt, um sich einen Kaffee zu holen, und erstand ein Päckchen Dunhill und eine Rolle Pfefferminzbonbons bei Pukkas Pizza Etcetera (wobei der Schwerpunkt auf dem Etcetera lag, denn die Pizza war ungenießbar). Dann stieß er auf die Promenade, die in Richtung Stadtzentrum ein wenig anstieg. Der Clean-Barrel-Surfshop befand sich an einer Straßenecke, und auf dem Weg dorthin passierte er einen Frisör, einen schmuddeligen Nachtclub, zwei extrem heruntergekommene Hotels und einen Fish-and-Chips-Laden.
    Bis er am Surfshop ankam, hatte er seinen Kaffee ausgetrunken. Er konnte keinen Mülleimer entdecken, also faltete er den Pappbecher zusammen und steckte ihn sich in die Jackentasche. Ein paar Schritte entfernt stand ein junger Mann mit Haaren von undefinierbarer Farbe. Er war offenbar in ein ernstes Gespräch mit Nigel Coyle vertieft, dem Inhaber von Clean Barrel. Das dürfte Will Mendick sein, dachte Selevan. Er hatte große Hoffnungen in Will gesetzt, aber bislang war nichts daraus geworden.
    Selevan hörte, wie Will zu Nigel Coyle sagte: »Ich geb ja zu, dass es ein Fehler war, Mr. Coyle. Ich hätte es ihm nicht vorschlagen sollen. Aber es ist ja nicht so, als hätt ich so was früher schon mal gemacht.«
    »Du bist kein besonders guter Lügner«, erwiderte Coyle, und dann stapfte er davon und ließ den Wagenschlüssel in seiner Hand klimpern.
    Will murmelte finster vor sich hin: »Scheiß auf dich, Mann.« Und als Selevan zu ihm trat: »Hallo, Mr. Penrule. Tammy ist drinnen.«
    Selevan traf seine Enkelin im Laden an, als sie gerade dabei war, einen Ständer mit bunten Prospekten zu füllen. Er betrachtete sie, so wie er sie immer betrachtete, nämlich wie eine Art Säugetier, das ihm nie zuvor untergekommen war. Er missbilligte das meiste dessen, was er sah: Sie war nur Haut und Knochen und ganz in Schwarz gekleidet. Schwarze Schuhe, schwarze Nylons, schwarzer Rock und schwarzer Pulli. Das Haar zu dünn und zu kurz geschnitten, und sie tat nicht einmal mehr etwas von diesem Klebezeug hinein, um es in Form zu bringen. So hing es lediglich schlaff an ihrem Schädel herunter.
    Selevan hätte mit der Magerkeit und der Vorliebe für schwarze Kleidung leben können, wäre das Mädchen in anderer Hinsicht wenigstens ansatzweise normal gewesen. Er hätte es verstanden, wenn sie ihre Augen mit Kohlestift geschwärzt und Silberringe in

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