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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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Pete.
    Das macht er absichtlich, dachte Bea. Er versucht, einen Streit vom Zaun zu brechen. Er war wütend, weil er zu seinem Vater musste, und noch wütender darüber, dass ihre Pläne für den Abend zunichte waren: einen Abend mit Pizza und einer DVD. Er hatte sich einen Fußballfilm ausgesucht, aber im Gegensatz zu seiner Mutter würde sein Vater kein Interesse daran haben. Wenigstens wenn es um Fußball ging, waren Bea und ihr Sohn sich einig.
    Sie beschloss, sich nicht von dem Jungen provozieren zu lassen. Sie hatte jetzt keine Zeit, sich um seine Befindlichkeiten zu kümmern, und außerdem musste er lernen, damit fertig zu werden, wenn Pläne sich änderten. Kein Plan war je in Stein gemeißelt.
    Als sie sich Polcare Cove näherten, goss es in Strömen. Bea Hannaford war nie zuvor an diesem Ort gewesen, also sah sie konzentriert zwischen den Scheibenwischern hindurch und kroch aufmerksam die Serpentinen durch den Wald entlang, ehe sie aus dem Schatten der knospenden Bäume tauchten. Ab hier stieg der Weg wieder an und schlängelte sich an Feldern vorüber, die von dichten Hecken gesäumt waren. Dann führte er ein letztes Mal abwärts zur See, und das Land öffnete sich zu einer Wiese, an deren nordwestlichem Rand ein senffarbenes Cottage mit zwei Außengebäuden stand – die einzige menschliche Behausung weit und breit.
    Ein Streifenwagen stand halb auf der Straße, halb in der Einfahrt des Cottages, Stoßstange an Stoßstange mit einem weiteren Polizeifahrzeug, das seinerseits gleich hinter einem weißen Vauxhall vor dem Haus parkte. Bea hielt nicht an, denn damit hätte sie die Straße vollends blockiert, und sie wusste, es würden noch jede Menge Fahrzeuge kommen, die möglichst nah an den Strand heranmussten, ehe sie hier heute fertig wurden. Also fuhr sie weiter in Richtung Meer, bis sie etwas fand, was als Parkplatz herhalten konnte: einen Flecken unbewachsener Erde, der von Schlaglöchern durchsiebt war. Dort parkte sie den Wagen.
    Pete tastete nach dem Türgriff, doch sie hielt ihn zurück: »Du wartest hier.«
    »Aber ich will doch sehen …«
    »Pete, du hast mich gehört. Warte hier! Dein Vater ist unterwegs. Wenn er herkommt, und du bist nicht im Auto … Muss ich mehr sagen?«
    Pete warf sich zurück in den Sitz, seine Miene missmutig. »Ich will doch nur mal kurz gucken! Und außerdem bin ich heute gar nicht dran, bei Dad zu schlafen.«
    Ah. Da hatten sie's. Er verstand es, den perfekten Moment zu wählen – genau wie sein Vater. »Flexibilität, Pete«, sagte sie. »Wie du weißt, ist sie der Schlüssel zu jedem Spiel, und das gilt auch für das Spiel des Lebens. Und jetzt warte hier.«
    »Aber, Mum …«
    Sie zog ihn an sich und verpasste ihm einen ruppigen Kuss auf die Schläfe. »Du wartest«, befahl sie.
    Ein Klopfen am Wagenfenster ließ sie herumfahren. Ein Constable in Regenkleidung stand dort draußen, Wassertropfen in den Wimpern und eine Taschenlampe in der Hand. Die Taschenlampe war nicht eingeschaltet, aber bald würden sie sie brauchen. Bea stieg aus, schloss den Reißverschluss ihrer Jacke gegen den stark böigen Wind und den Regen, zog die Kapuze hoch und stellte sich vor: »Detective Inspector Hannaford. Was haben wir?«
    »Einen Jugendlichen. Tot.«
    »Ist er gesprungen?«
    »Nein. Er war klettern. Ich schätze, er ist beim Abseilen gestürzt. Das Grigri klemmt noch am Seil.«
    »Wer ist drüben im Cottage? Da steht ein Streifenwagen.«
    »Der diensthabende Sergeant von Casvelyn. Er vernimmt die beiden, die den Toten gefunden haben.«
    »Bringen Sie mich hin. Wer sind Sie überhaupt?«
    Er stellte sich als Mick McNulty vor, Constable der Polizeiwache Casvelyn. Ein Constable, ein Sergeant – mehr Beamte gab es auf dieser Wache nicht; es war ein Arrangement, wie es auf dem Land typisch war.
    McNulty ging voraus. Der Leichnam lag knapp dreißig Meter oberhalb der Wasserlinie, aber ein gutes Stück von der Klippe entfernt, von der er gestürzt sein musste. Der Constable hatte die Geistesgegenwart besessen, ihn mit einer leuchtend blauen Plastikplane abzudecken und diese mithilfe von Felsbrocken so anzuheben, dass sie den Leichnam nicht berührte. Bea nickte ihm zu, und McNulty lüpfte die Plane ein wenig, sodass der Tote sichtbar, aber weiterhin vor dem Regen geschützt war. Die Folie knisterte und schlug wie ein blaues Segel im Wind. Bea hockte sich hin, verlangte nach der Taschenlampe und richtete den Strahl auf den jungen Mann, der auf dem Rücken lag. Er hatte

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