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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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obwohl er nicht wollte, hatte er sich auch die Frage gestellt, ob seine eigene fragile Beziehung zu Santo irgendwann in gleicher Weise mutiert wäre. Er hatte seine Zweifel. Santo war ihm in diesem Moment erschienen, wie er für immer sein würde: erstarrt in ewiger Jugend, unfähig, sich zu entwickeln und sich Belangen zu stellen, die wichtiger waren als die Triebe eines Teenagers.
    Es waren ebendiese Gedanken an die Triebe eines Teenagers, die ihn in der Nacht nach dem Besuch bei seinen Eltern erneut heimsuchten. Doch während er den holprigen Feldweg zu dem alten Farmhaus entlanggefahren war, waren diese Gedanken noch weit weg gewesen. Er hätte sich nicht träumen lassen, dass sie sich nur wenig später in seinem Kopf festsetzen würden. Vielmehr war er den Steigungen und Kurven des unbefestigten Weges gefolgt und hatte darüber gestaunt, dass all die Jahre ihn nicht von der Angst vor seinem Vater hatten befreien können. Abgesehen von Eddie Kerne, hatte Furcht nie eine große Rolle in seinem Leben gespielt. Aber sowie er sich ihm näherte, war es, als hätte er Pengelly Cove niemals verlassen.
    Seine Mutter hatte das gespürt. Mit dieser seltsam veränderten Stimme – klang sie nicht irgendwie portugiesisch? – hatte sie angemerkt, er werde seinen Vater überaus verändert vorfinden. Worauf er erwidert hatte: »Am Telefon klang er kein bisschen verändert, Mum.«
    Körperlich, hatte sie erklärt. Er sei gebrechlich geworden. Er versuche, es zu verbergen, aber er fühle sein Alter. Sie hatte nicht hinzugefügt, dass er auch sein Versagen fühlte. Das Ökohaus war seit jeher sein Lebenstraum gewesen: von dem zu leben, was das Land zu geben hatte; in Harmonie mit den Elementen zu sein. Tatsächlich hatte er sich vielmehr vorgenommen, diese Elemente zu zähmen und für sich arbeiten zu lassen. Es war ein bewundernswerter Versuch gewesen, ökologisch zu leben, aber Eddie Kerne hatte sich zu viel vorgenommen und nie die Kraft gehabt, alles umzusetzen.
    Selbst falls Eddie den Wagen gehört hatte, war er jedenfalls nicht an die Tür gekommen. Auch nicht, als Ben das Dreirad aus dem Kofferraum bugsierte. Doch als sie auf die verfallene Haustür zugingen, wartete er dort auf sie. Er hatte die Tür aufgerissen, noch ehe sie sie erreicht hatten, als hätte er sie durch eines der verdreckten, schiefen Fenster erspäht. Obwohl seine Mutter ihn gewarnt hatte, war Ben betroffen, als er seinen Vater sah. Alt, dachte er – und er sieht noch älter aus, als er in Wirklichkeit ist. Eddie Kerne trug eine Altmännerbrille auf der Nase – ein klobiges schwarzes Gestell mit dicken, schmierigen Gläsern –, und die Augen dahinter hatten beinah vollends ihre Farbe verloren. Eines war vom grauen Star getrübt, der, wie Ben wusste, niemals operiert werden würde. Und auch alles andere an Eddie war alt: die schlecht sitzenden, geflickten Kleidungsstücke, die Stellen im Gesicht, die beim Rasieren vergessen worden waren, bis hin zu den drahtigen Haaren, die ihm aus Nase und Ohren wuchsen. Sein Schritt war schleppend, die Schultern gebeugt. Die Personifizierung des Lebensabends. Ben spürte einen plötzlichen Schwindel bei seinem Anblick.
    »Dad …«
    Eddie Kerne musterte ihn vom Scheitel bis zur Sohle mit jener zackigen Kopfbewegung, die gleichzeitig abschätzte und urteilte. Dann trat er wortlos von der Tür zurück und verschwand im Innern des Hauses.
    Unter anderen Umständen wäre Ben an diesem Punkt gegangen. Doch das »Sch-sch« seiner Mutter tröstete ihn – auch wenn er sich nicht sicher war, wem der Laut hatte gelten sollen. Er hatte ihn geradewegs zurück in die Kindheit versetzt, und er hatte gewusst, was er bedeutete: Mummy ist hier, Liebling, du brauchst nicht zu weinen. Er hatte ihre Hand in seinem Rücken gespürt, und wie sie ihn vorwärtsgeschoben hatte.
    Eddie wartete in der Küche auf sie: in dem einzigen einigermaßen bewohnbaren Raum im Erdgeschoss. Die Küche war hell erleuchtet und warm, während der Rest des Hauses in Schatten gehüllt war, vollgestopft mit Gerümpel und durchdrungen von Schimmelgeruch. In den Wänden hörte man die Mäuse huschen.
    Sein Vater setzte den Kessel auf. Ann Kerne nickte bedeutungsvoll, als bewiese diese Handlung irgendeine Veränderung in Eddie, die mit dem äußerlichen Verfall einhergegangen war. Er schlurfte zum Schrank, holte drei Tassen, eine Dose Instantkaffee und eine eingerissene Schachtel Würfelzucker heraus. Als er all das zusammen mit einer Plastikkanne Milch,

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