Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
Vom Netzwerk:
beigab.
    »Standen Sie in Konkurrenz zu anderen Surfern?«, fragte Bea. »Zu Santo? Oder stand er in Konkurrenz zu Ihnen? Haben Sie es aufgegeben? Oder was?«
    »Ich mag das Meer nicht.« Er sprach mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich kann es nicht leiden, nicht zu wissen, was sich unter mir befindet. Überall auf der Welt gibt es Haie, und ehrlich gesagt bin ich nicht sonderlich scharf darauf, ihre Bekanntschaft zu machen. Ich kenne mich mit Surfboards aus und mit dem Surfen, aber ich surfe selbst nicht, okay?«
    »Na schön. Klettern Sie, Mr. Mendick?«
    »Klettern? Nein, ich klettere nicht.«
    »Was machen Sie denn dann?«
    »Ich hänge mit Freunden rum.«
    »Zählte Santo Kerne dazu?«
    »Eigentlich nicht …« Mendick nahm das Tempo aus ihrer Unterhaltung, ganz so als wäre ihm plötzlich aufgegangen, wie leicht er sonst in eine Falle tappen könnte. Er steckte weiter unermüdlich Lebensmittel in seinen Beutel – ein paar ernstlich eingedellte Konserven, Pakete mit Spinat und anderem Gemüse, eine Handvoll abgepackter Kräuter, eine Schachtel Teekuchen –, ehe er aus dem Container stieg und antwortete: »Santo hatte keine Freunde. Nicht im üblichen Sinn. Nicht so wie andere Menschen. Er hatte Leute, mit denen er sich abgab, wenn er sich etwas von ihnen versprach.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel … Erfahrungen. So hat er es ausgedrückt. Das war sein ganz großes Ding: Erfahrungen machen.«
    »Welche Art Erfahrungen?«
    Mendick zögerte, was Bea anzeigte, dass sie endlich zum Kern der Sache vorgedrungen waren. Es hatte länger gedauert, als ihr lieb gewesen war, und sie fragte sich flüchtig, ob sie an Biss verlor. Aber wenigstens hatte sie Mendick dorthinbekommen, also, sagte sie sich, müsse doch noch ein kleiner Rest Leben in ihr stecken. »Mr. Mendick?«, ermunterte sie ihn.
    »Sex«, antwortete er. »Santo war verrückt nach Sex.«
    »Er war achtzehn«, warf Havers ein. »Gibt es auch nur einen einzigen Achtzehnjährigen auf dieser Welt, der nicht total verrückt nach Sex ist?«
    »So wie er? Was er so getrieben hat? Ja, ich würde sagen, es gibt Achtzehnjährige, die kein bisschen so sind wie er.«
    »Was hat er denn getrieben?«
    »Das weiß ich nicht genau. Nur dass es abartig war. Das war alles, was sie mir gesagt hat. Das – und die Tatsache, dass er sie betrogen hat.«
    »Sie?«, fragte Bea. »Sprechen wir von Madlyn Angarrack? Was hat sie Ihnen erzählt?«
    »Nichts. Nur dass es sie krank machte, was er trieb.«
    »Ah.« Damit hatten sie sich praktisch einmal im Kreis gedreht, dachte Bea. Und bei dieser Ermittlung schien das Kreiseln stets darauf hinzudeuten, dass ein weiterer Lügner enttarnt war.
    »Stehen Sie Madlyn nahe?«, fragte Havers.
    »Nicht besonders. Ich kenne ihren Bruder, Cadan. Darum kenne ich sie auch. Wie gesagt, Casvelyn ist klein. Früher oder später kennt hier jeder jeden.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Bea.
    Will Mendick schien verwirrt. »Was?«
    »Das Einander-Kennen«, erwiderte sie. »Jeder kennt jeden, haben Sie gesagt. Ich frage mich, wie Sie das meinen.«
    Mendicks Ausdruck besagte deutlich, dass er die Anspielung nicht verstand. Aber das war nebensächlich. Sie hatten Madlyn Angarrack, wo sie sie wollten.

18
    Hätte es am vorherigen Nachmittag nicht geregnet, hätte Ben Kerne seinen Vater in Pengelly Cove vermutlich überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Aber wegen des Regens hatte er seine Mutter überredet, sie nach Feierabend nach Hause zu fahren. Sie hatte ihr großes Dreirad dabei, mit dem sie trotz des Schlaganfalls ohne größere Schwierigkeiten zur Arbeit und wieder zurückkam, aber Ben hatte darauf bestanden. Das Dreirad würde schon irgendwie in den Kofferraum passen, hatte er ihr versichert. Er wolle nicht, dass sie bei diesem Wetter die engen Straßen entlangfuhr. Auch bei gutem Wetter sollte sie dort eigentlich nicht fahren. Sie sei nicht mehr in dem Alter, geschweige denn in der gesundheitlichen Verfassung, mit einem Fahrrad unterwegs zu sein. Auf ihren Einwand – in der sorgsam artikulierten Sprechweise vorgebracht, die sie seit dem Schlag hatte: »Hat doch drei Räder, Ben« – hatte er bloß entgegnet, das spiele keine Rolle. Sein Vater, hatte er hinzugefügt, müsse endlich zu Verstand kommen und sich ein Auto zulegen, jetzt da er und seine Frau alt wurden.
    Noch während er das gesagt hatte, hatte er über die Veränderung in der Eltern-Kind-Beziehung nachgedacht, in der die Eltern zusehends die Rolle der Kinder einnahmen. Und

Weitere Kostenlose Bücher