Doch die Sünde ist Scharlachrot
nicht auf die Gleichgültigkeit gefasst, die Max Priestley so freigebig an den Tag legte, obwohl ein achtzehnjähriger Bengel ihn zum Hahnrei gemacht hatte. Bea sah zu Sergeant Havers, die ihrerseits Priestley studierte. Sie hatte die Gelegenheit ergriffen, sich mit ihrem Plastikfeuerzeug eine Zigarette anzustecken, und sie verengte die Augen gegen den Qualm, während sie das Gesicht des Mannes betrachtete.
Es wirkte offen, der Ausdruck sympathisch. Aber der sarkastische Tonfall war unüberhörbar gewesen. Nach Beas Erfahrung bedeutete seine Art von Offenheit entweder, dass seine Wunden wirklich tief saßen oder dass er nur das erfahren hatte, was er früher einmal selbst jemand anderem angetan hatte. Allerdings gab es in dieser konkreten Situation noch eine dritte Alternative, die sie in Betracht ziehen musste: den Versuch eines Mörders, seine Fährte durch vorgetäuschte Gelassenheit zu verwischen. Doch ihr kam diese Alternative im Moment nicht sehr wahrscheinlich vor, und Bea konnte nicht recht sagen, warum. Sie hoffte nur, es hatte nichts mit seinem Magnetismus zu tun. Bedauerlicherweise war er ein Bild von einem Kerl.
»Wir würden gern mit Ihnen über Ihre Beziehung zu Aldara Pappas sprechen«, bestätigte Bea. »Sie hat uns ein paar Brocken hingeworfen. Wir interessieren uns für Ihre Sichtweise der Affäre.«
»Und dafür, ob ich Santo umgebracht habe, als ich herausgefunden hatte, dass er es mit meiner Freundin trieb?«, formulierte er für sie. »Die Antwort lautet Nein. Aber damit haben Sie sicher gerechnet, nicht wahr? Dass ich das sage. Der Durchschnittsmörder kommt wohl eher selten mit einem Geständnis daher.«
»Das ist meiner Erfahrung nach leider der Fall.«
»Lily!«, brüllte Priestley plötzlich und sah stirnrunzelnd in die Ferne. Am anderen Ende des Hügels war ein weiterer Hundebesitzer aufgetaucht. Das war Priestleys Retriever nicht entgangen, und Lily stob in dessen Richtung davon. »Verdammter Köter«, murmelte er, und dann: »Lily! Fuß!« Doch sein Hund ignorierte ihn vollkommen. Er seufzte und sah wieder zu Bea und Havers. »Und das, wo ich doch einmal so eine glückliche Hand mit Frauen hatte.«
Die Überleitung war so gut wie jede andere. Bea fragte: »Aber bei Aldara hat sie Sie im Stich gelassen?«
»Zu Anfang nicht. Erst in dem Moment, als mir klar wurde, dass ihr Zauber stärker war als meiner. Und dann …« Ein beinah schelmisches Lächeln überflog sein Gesicht. »Ich habe eine Portion meiner eigenen Medizin verabreicht bekommen, wie man so schön sagt, und sie hat mir nicht geschmeckt.«
Da sich das wie eine Eröffnung für weitere Enthüllungen anhörte, zückte Sergeant Havers ihr Notizbuch und den Bleistift. Die Zigarette hing in ihrem Mundwinkel. Priestley sah all das, nickte und sagte: »Also schön, zum Teufel damit«, und begann, das Bild von seiner Beziehung zu Aldara Pappas zu vervollständigen.
Sie hatten sich auf einer Zusammenkunft von Unternehmern aus Casvelyn und Umgebung kennengelernt. Er war dort gewesen, um über das Treffen zu berichten, und die Unternehmer, um Ideen zur Tourismusförderung außerhalb der Hauptsaison auszutauschen. Aldara war einfach eine andere Klasse gewesen als die Surfshop-Betreiber und kleinen Hoteliers und Gastwirte – unmöglich, sagte er, sie nicht zur Kenntnis zu nehmen.
»Ihre Geschichte war interessant«, fuhr Priestley fort. »Eine geschiedene Frau, die sich eine heruntergekommene Apfelplantage ans Bein hängt und daraus eine florierende Touristenattraktion macht. Ich wollte eine Story über sie bringen.«
»Bloß eine Story?«
»Zunächst ja. Ich bin Journalist. Ich bin immer auf der Suche nach Storys.«
Bei der Unternehmerversammlung hatten sie sich unterhalten und später auch noch. Man verabredete sich. Obwohl er auch seinen Redakteur hätte schicken können, um die Fakten zusammenzutragen, fuhr er selbst hin. Er fühlte sich zugegebenermaßen angezogen von ihr.
»Also war der Artikel nur ein Vorwand?«, fragte Bea.
»Ich wollte ihn schreiben. Das habe ich später sogar getan.«
»Nachdem Sie sie ins Bett gekriegt hatten?«, fragte Havers.
»Immer eines nach dem anderen«, erwiderte Priestley.
»Und das heißt …?« Bea zögerte, und dann ging ihr ein Licht auf. »Ah. Sie sind gleich beim ersten Mal mit ihr in die Kissen gesunken? Am Tag, als Sie hingefahren sind, um sie zu interviewen. Ist das Ihr üblicher Modus Operandi, Mr. Priestley, oder war das etwas Besonderes für Sie?«
»Wir fühlten uns
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